Schweden Dänemark 2014

Total distance: 2749530 m

 

Meeting mit Pippi und Egon

Schöne AWO-Treffen waren das dieses Jahr! Nun lag das letzte Treffen auf Rügen auch schon wieder 2 Wochen zurück. Lang genug für Entzugserscheinungen. Also entschloss ich mich, meinen Resturlaub diesen Jahres für eine letzte große Tour zu nutzen. Ich wollte so zu sagen noch ein Schleifchen um dieses wunderbare Jahr auf der AWO machen. Ok, die Saison ist damit nicht abgehakt, denn Saison gibt es nicht. Das Jahr hat 365 Tage, und der Hobel ist genau für diesen Zeitraum zugelassen. Also wird selbiger auch bewegt bis vielleicht mal Schnee fällt.

Da im Mai der Süden bereits beackert wurde – eine Tour, von der ich sicher später noch berichten werde – sollte es wieder gen Norden gehen. Schließlich hatte ich noch ein Stück Dänemark vom letzten Jahr nachzuholen, welches damals sprichwörtlich ins Wasser gefallen war wegen sehr ergiebiger Regenfälle. Als erste Anlaufstelle wählte ich mir wieder die Luxussuite beim Bausoldaten aus, welche an Ausstattung und überragendem Blick auf die See einfach nicht zu übertreffen ist. Eigentlich ist das Domizil immer ausgebucht, aber wer seine FDGB-Beiträge immer pünktlich zahlt …

Montag | 1. September (509km)

Wenn im Urlaub um 6 der Wecker klingelt, ist das schon ziemlich belämmert. Aber man will ja was schaffen, also raus aus den Federn. Letzte Reserven im Tante-Emma-Laden besorgt, um Unabhängigkeit auf Reisen zu wahren. Mein Tante-Emma-Laden, wen wunderts, ist ziemlich groß, kann mit Einkaufswagen befahren werden, ist unpersönlich, und liegt zufälligerweise am Ortsrand. Danach noch ein kurzer Halt bei Lutz, einen letzten Kaffee geschlürft, und nach dem Satteln gings gegen 10 in die Spur. Die ersten 150km ging es durch dichten Nebel und ein erstes ekliges Gefühl stelle sich ein. Hinter Berlin lichtete sich der Nebel, Gott sei Dank, und machte strömenden Regen Platz. Böse Erinnerungen an letztes Jahr wurden wach, als beide Urlaubsfahrten förmlich im Regen ersoffen sind. Bei so viel Wasser hatte mein Spiegel scheinbar auch keine Lust mehr und machte sich bei Kilometer unbekannt auf der Autobahn aus dem Staub. Kurz vor Lohme wollte mich dann auch noch diese schwarze Klemmfassung am Zündmagneten nerven, die ein ziemliches Eigenleben entwickelte. 100 Meter schieben bis unters Tankstellendach und kurz die Kabel gerichtet. Deckel wieder drauf, tanken, und ab nach Lohme ins Trockene. Und so, wie mich Christian in die Arme schloss, beschloss das unsägliche Nass da zu bleiben, wo es her kam – nämlich oben. Im benachbarten Bewirtungsgebäude, eine Hotel mit feinster Küche und Seeblick gabs dann leckeres Zanderfilet und einen traumhaften Sonnenuntergang. Ab Lohme brach also der Urlaub förmlich auf mich herein. Abends bei Bier haben wir dann noch schnell einen japanischen Spiegel ans Lenkrad gebastelt. Ja, lieber Brändel, gebastelt! Dieses häßliche Teil, noch dazu verchromt, und das an meinem Moped, verursacht schon ziemlich seelische Schmerzen. Aber ich war Christian trotzdem sehr dankbar für seine Hilfe, bzw. für den Spender, der diesen abends noch vorbei brachte.

Dienstag / Tisdag, 2. September (431km)

Und wieder ging es im Morgengrauen aus den Puppen. Die Fähre wartet nicht, und so hab ich mich leise vom Hof gemacht. So leise es mit der AWO eben geht. Im Sassnitzer Hafen ging das Einchecken zügig von der Rolle. Man merkt, daß die Ferien vorbei sind und die Fähre ist kaum belegt. Die Überfahrt nach Trelleborg war ziemlich entspannt und dauerte genau 4¼ Stunden. Ich hab mir ein Frühstücksmenü gegönnt, worin Kaffee und Mampf bis zum Abwinken enthalten ist, eine Süddeutsche erstanden als Ersatz für das vergessene Reisebuch, und habs mir im Restaurant bis zum Anlegen in Schweden gemütlich gemacht. Ohne großen Plan gehts zunächst die Küste Richtung Osten entlang. Anfangs noch direkt die Küstenstraße, nutze ich später teilweise die Schnellstraße, um dichter besiedelten Gegenden schneller zu entkommen. Bei Karlskrona verlasse ich die Küstengegend und fahre planlos Richtung Norden durch teils waldige Gegend. Christian hatte mich aber schon darauf vorbereitet, daß die richtig schönen Ecken erst weiter nördlich kommen. Soll aber nicht heißen, daß mir diese Ecke unsympathisch wäre. Trotzdem schlage ich nach ein paar Stunden wieder die östliche Richtung ein und erreiche bei Bergkvara wieder die Ostsee. Mir läuft spontan ein Campingplatz über den Weg und ich beschließe aufgrund der schönen Lage direkt an der Ostsee hier mein Zelt aufzuschlagen. Ich bewaffne mich mit meiner Kamera und genieße als alter Schwede mit aufkommenden Heimatgefühlen den Sonnenuntergang.

Mittwoch / Onsdag | 3. September (301km)

Es muß gegen 5 sein, als ich mir bibbernd meine Klamotten überstreife und noch mal zurück in den Schlafsack krieche, um noch eine Stunde zu schlafen. Gegen 6 gebe ich auf und quäle mich aus dem Zelt. Meine verquollen Augen nehmen zunächst mal nur Nebel war und vor Kälte und Nässe komme ich mir vor, als hätte ich mich im Spätherbst im Niemandsland verirrt. Der Nebel am Ufer lichtet sich jedoch ziemlich schnell. Es ist eher der Instinkt, als mein müder Verstand, der mich flux meine Kamera aus dem Zelt holen lässt. Denn just in diesen Minuten werde ich Zeuge eines traumhaften Sonnenaufganges über der Ostsee. Dichter Nebel tanzt etwa bis zu einem Meter über dem Wasser, aus welchem die Sonne, anfangs tief rot und gleißend empor steigt. Alter Schwede, ist das geil!

Mein Zelt ist so nass, wie nach einem großen Regen, und mir frieren durch die Nässe bald die Finger ein beim Packen. Ich komme einfach nicht in die Puschen und fühle mich die nächsten zwei Stunden wie auf einer Fahrt zum Wintertreffen Augustusburg, so friere ich auf dem Bock. Das bekommt man eben schwer auf die Reihe, wenn im Kopf noch Sommer ist, die Gänsehaut aber Temperaturen nahe Null vermeldet. Der Nebel ist dick und grau, verzieht sich dann aber mit einem Schlag, und lässt in mir doch wieder spätsommerliche Gefühle aufkommen. Und so schnell, wie sich der Nebel auflöst, verfliegen auch meine leicht defizielen Selbstzweifel über die Sinnhaftigkeit meines Tuns.

Primärziel ist heute Vimmerby, die Geburtsstadt Astrid Lindgrens. Inzwischen bei schönstem Sonnenschein geht es nun durch die prächtige schwedische Natur mit Wald bis zum Horizont und wunderschönen Seen. An einem der ersten Seen mache ich Halt und genehmige mir ein kleines Frühstück. Hält man sich abseits großer Hauptstraßen, ist Schweden gerade zu ein Traum für Kurvenfanatiker, wie mich. Ich erreiche Vimmerby und bin zunächst enttäuscht vom Ambiente dieser Kleinstadt. Ich hatte mir irgendwie Pippi-Langstrumpf-Atmosphäre vorgestellt, werde aber mit erschreckend viel Neubau konfrontiert. Da mir schwedisch nicht geläufig ist, folge ich den Hinweisschildern, wo irgendwas mit Lindgren drauf steht. Leider komme ich nicht am Elternhaus raus, sondern am Museum und Kulturzentrum. Letzteres ist das erste Haus mit Charme, was ich bis dahin in Vimmerby sehe. Im angrenzenden Café, was im Museumsgebäude integriert ist, genehmige ich mir ein leckeres Mittagessen.

Da ich kein Freund dieser Vorstadtarchitektur bin, begebe ich mich anschließend wieder schnell in die schwedischen Wälder, und mein Herz lächelt wieder. Ich suche wieder die kleinen Nebenstraßen, die sich nun aber einige Male in Waldwege wandeln. Egal, mit der AWO kein Problem und schön ists so und so. Ich erreiche den See Sommen und nutze in Malexander die Gelegenheit zum Auftanken. Die Tanke ist gleichzeitig Dorfladen und ich gönne mir ein Eis samt Kaffee. Während dessen kommt ein T4 mit Hannoveraner Kennzeichen um die Ecke und ich komme mit der Fahrerin ins Gespräch. Sie kommt schon seit den Achtzigern hierher und hat vor einigen Jahren hier ein Ferienhaus gekauft. Wer so oft hier her kommt, weiß sicher einen guten Platz zum Campen. Nach meiner Frage wird mir wärmstens ein Campingplatz unten am Ufer empfohlen. Wir verabschieden uns nach ein paar Minuten und machen schnell ein Foto. Die Frau von der AWO, nicht ich von der Frau. Ich begebe mich die wenigen Meter runter durchs Dorf. Und die gute Frau hatte absolut Recht, ein wunderbares Plätzchen war das hier. Es sind nur wenige Dauercamper hier und ich habe Platz ohne Ende. Sicher auch, weil die Saison auch in Schweden schon vorbei ist. Ich lasse ringsum alles fallen, schlag das Zelt in den Boden, und ab gehts zum Strand. 15 Grad Wassertemperatur sind nicht ganz mein Ding, aber euphorisiert von der Umgebung und dem Bombenwetter stürze ich mich in die Fluten. Als am Abend die Sonne auf der einen Seite untergeht und gleichzeitig der Mond gegenüber auf, hole ich meine Kamera und meine Flasche Wein aus der Satteltasche und mache es mir auf dem u-förmig ins Wasser ragenden Steg bequem. Spätestens jetzt erreiche ich ein Level, was sich nur schwer beschreiben lässt. Hermann Hesse würde diese Situation sicher sehr blumig beschreiben. Ich hab das nicht drauf, und so bleibt mir nur zu sagen, daß ich aber mal sowas von verdammt gechillt habe!

Donnerstag / Torsdag | 4. September (342km)

Die mentale Ruhe des letzten Abends nehme ich mit in den Morgen und schäle mich erst aus dem Zelt, als die Sonne dieses langsam aufheizt. Als die AWO wieder einem Maultier gleicht mit all dem Gepäck, mache ich mich auf zur Tanke vom Vortag, um mir den morgendlichen Kaffee zu gönnen. Ich komme 3 Minuten zu spät. Kotzt mich der Urlaub an! Ne, quatsch, glaub ihr ja wohl selbst nicht! Ich setze mich wieder in Bewegung und warte auf meine Gelegenheit. Und die lässt nicht lange auf sich warten. Ich umfahre die Nordspitze des Sees und muß kurz an einer Fähre warten. Am gegenüberliegenden Ufer erwartet mich ein herrlich gelegenes Café mit Seeblick und freundlicher Bedienung. Eine handvoll schwedischer Touristen begutachtet mein Gefährt, während ich mit Rührei auf schwedisch (köstlich!) den Blick übers Wasser genieße. Natürlich mit dem obligatorischen Kaffee.

Ich setze meine Fahrt in Richtung Südwest fort. Der Urlaub ist kurz, und ich habe vom letzten Jahr noch ein Stück Dänemark zu bewältigen, welches dazumal ins Wasser gefallen ist. Aber das erwähnte ich ja schon. Ich gönne mir ab Växjö nicht mehr so viele Nebenstraßen, und somit ist der Weg auch weniger spektakulär. Bei Hässleholm am Finjasjön schlage ich mein letztes Lager in Schweden auf. Die Landschaft gleicht eher meiner Heimat, dem Muldental. Die Wälder und Seen sind nicht mehr so üppig, und die Besiedlung nimmt auch wieder zu. Der Campingplatz hat einen Reiz wie ein deutscher Dauercamperplatz an einem Autobahnsee. Ich verziehe mich mit meinen letzten Weinreserven an den See, der ein Stück abseits liegt. Leider vernehme ich deutlich den Lärm der umliegenden Schnellstraßen. Kein Vergleich zum Vorabend.

Freitag / Fredag | 5. September (331km)

Und wieder geht es um 6 aus den Federn. Es ist mal wieder bitter kalt und neblig. Das Zelt trieft vor Wasser, was mir beim Packen abermals die Finger gefrieren lässt.. Gedanken kreisen mir im Kopf, wie Bernd das nur bis zum Nordkap ausgehalten hat. Ich bin halt ’ne Frostbeule.

Die Zivilisation ist nun wieder unangenehm dicht, je näher ich Helsingborg komme. Als ich im Fährhafen ankomme, reißt auch der Nebel auf und ich nutze die ersten Sonnenstrahlen in der kurzen Wartezeit, um mich etwas aufzuwärmen. Den Rest erledigt an Board ein großer heißer Kaffee. Nach einer dreiviertel Stunde erreiche ich Helsingør. Ein schwedischer Biker, der mit mir die Fähre verlässt, scheint den Weg durch den Hafen zu kennen. Ich hänge mich an ihn ran und wir eilen mit über 60 Sachen durch den Hafen. So schnell hätte ich den Ausgang vielleicht nicht gefunden und denke nicht weiter darüber nach. In südliche Richtung immer der Ostseeküste entlang gehts nun Kopenhagen entgegen. Wobei Küste relativ ist. Hier scheint die dänische Schickeria zu wohnen. Prächtige Häuschen und hohe Zäune lassen nicht immer einen freien Blick zum Ufer zu. Vom Stil her ähnelt das ganze in etwa der Côte d’Azur im Kleinformat. Vielleicht etwas überspitzt, aber der Durchschnittsdäne wohnt hier sicher nicht. In Kopenhagen angekommen ist Charlottenlund Fort mein erster Fotostopp. Das Fort diente bis 1932 als Küstenbatterie und ist heute ein Campingplatz. Das Ambiente hat somit einen speziellen Reiz, es sei denn, man ist Hardcore-Gegner von jeglichen militanten Kram. Mit Sicherheit ist dieser Zeltplatz aber ein guter Ausgangspunkt für Touren durch Kopenhagen, wenn man mehr als einen Tag bleiben will. Ich will nicht. Zwar finde ich alte oder interessante Architektur, wie es sie in Kopenhagen an etlichen Stellen gibt, durchaus sehens- und in meinem Fall auch fotografierenswert, aber die Massen an Touristen sind ein Grauen für mich.

Ich mache mich also weiter und halte direkt vor dem Port Authority Building am Hafen. Einfahrt und Parken verboten. Keine zwei Minuten später kommt eine Frau aus dem Gebäude auf mich zu und ich denke: Anschiss! Doch welch Überraschung. Ein kurzer Plausch, sie sei sehr angetan von dem alten Gefährt, wo ich her käme, und sie müße leider gleich wieder an die Arbeit. Die AWO bleibt also stehen, wo sie ist, und ich begebe mich mit Knipse auf Entdeckungstour der näheren Umgebung. Das Kastell von Kopenhagen und der Gefion-Brunnen befinden sich unmittelbar nebenan. In der Hoffnung, ein paar Drehorte aus den Olsenbanden-Filmen zu entdecken – ja, auch ich schau den Kram heute noch an – halte ich Ausschau nach der Meerjungfrau am Hafen. Jedoch ohne Erfolg, Zu Hause werde ich erfahren, daß ich nur noch einmal um die Ecke hätte gehen müßen. Aber so ist das halt, wenn man Kopenhagen ohne Karte und Navi erkunden will. Weiter gehts zur Königlichen Residenz und zum Nyhavn. Letzteres ist eine richtig schöne Kneipenmeile, in der unter anderem auch Berühmtheiten, wie H.C. Andersen lebten. Allerdings entzieht es sich meiner Kenntnis, ob dieses Ambiente schon zu seiner Zeit dort vorherrschend war. Bei der Residenz vermacht mir noch ein Holländer vor Freude seinen von Werbung überfrachteten City-Plan, weil ich ihn die AWO fotografieren lasse.

So langsam versuche ich den Weg wieder aus der Stadt zu finden, und halte mich Richtung Roskilde. Ich drehe noch eine Runde um das Rathaus, an dessen Uhr einst Egon gefesselt war, und entdecke eher unerwartet noch Egons zweite Heimat, den Knast, war ich doch schon wieder etliche Kilometer aus Kopenhagen raus. Fotografieren verboten überall, da der Knast ein richtiger Knast ist und alles wird mit Kamera überwacht. Die Straße (Egon-Olsen-Vej), an der Egons Empfangskomitee immer stand, ist schon viele Jahre abgetrennt von der Hauptstraße und sieht auch ein wenig runter gekommen aus. Ich benutze eine Seitenstraße und komme am Besuchereingang raus. Trotz Verbot zücke ich meine Kamera, laufe durch eine kleine Siedlung mit alten kleinen Häuschen, die ich so neben einen Knast nicht erwartet hätte, und mache schnell meine obligatorischen Bilder. Nach 5 Minuten befinde ich mich wieder auf der Straße Richtung Roskilde. Der Weg dahin ist aber alles andere als sehenswert, weil zu viel Schnellstraße. Aber auch das gehört zu einer großen Reise. Nach einem Abstecher zum Hafen und eine Runde um den Dom beschließe ich, schnellstmöglich in ein weniger dicht besiedeltes Gebiet zu kommen. Nächstes Ziel ist Stubbekøbing, ca. 120km südlich von Kopenhagen. Meine Route führt größtenteils die Küste entlang. In irgend einem Kaff ist die Straße privat und die Durchfahrt verboten. Klingt interessant und als privater Kundschafter meiner selbst erkunde ich das Private. Die schönen kleinen Häuschen hier sind alles andere als Fischer- oder Arbeiterwohnungen, und so erklärt sich mir auch der Grund, dem Pöbel die Durchfahrt zu verweigern. Recht so! Übrigens, in Schweden gab es sowas nicht einmal zu sehen. Am nächsten Eisladen mache ich halt und staune nicht schlecht, als ein 1600er Lada hinter mir hält. Während des Eisschleckens erklärt mir der betagte Besitzer, der mit seinem Westover etwas in der Zeit zurück geblieben scheint, daß er sich das Auto 1986 kaufte und immer noch fährt. Mein erstes Vorurteil lautet, daß er wohl damals eine arme Sau gewesen sein muß, wenn er sich auf dem freien Markt so ein Auto freiwillig kauft. Ich befrage ihn aber nicht dazu, sondern setze meinen Weg fort und komme bei Stevns Klint vorbei. Ein Stück Steilküste mit Leuchtrum und einer Kirche, die bereits zur Hälfte Opfer wurde durch ständiges Abtragen des Küstengesteins durch das Meerwasser. Ein Schloß und ein Kloster besichtige ich noch von außen und erreiche in den Abendstunden Stubbekøbing.

Da mein Zelt von der letzten Nacht noch vollständig gewässert ist, gönne ich mir diesmal den Luxus einer kleinen Hütte. Ich hänge mein Zelt zunächst über ein paar Stühle zum Trocknen in der Abendsonne. Anschließend schlendere ich kurz zum Strand runter. Nur kurz, da ich von einem dänischen Dauercamper-Pärchen zum Abendbrot eingeladen wurde. Die Frau erzählt kaum was, da sie weder englisch noch deutsch kann. Ihr Mann ist dafür um so kommunikativer, und wird mir später am Abend leider noch etwas zu jähzornig. Zunächst ist er begeistert von einem deutschen Biker mit so einer Maschine. Und da er im kalten Krieg U-Boot-Fahrer war und auch öfters in Hamburg lag, bin ich ab sofort sein deutscher Bruder.

Genau das sind die Momente, die mich vorsichtig werden lassen. Im Laufe des Abends spielt er auf seiner Klampfe, sogar ziemlich gut, erzählt mir von Kreuzfahrten vor Polen, von seinen verstorbenen Brüdern und Sohn, und schaute mit der Zeit immer tiefer in seine Wodka-Flasche. Ich halte mich extrem lang an einer Flasche Bier auf, weil ich diesen Weg nicht mitgehen will. Irgendwann säuselt er mir mit geschlossenen Zähnen irgendwas auf dänisch und englisch vor und packt mich mit seinem Schraubstockhänden am Oberarm. In seinen kruden Sätzen faselt er auch etwas von …kill him…, und mir wird langsam bange, weil der Typ nicht wieder los lässt. Als sich dann doch mal sein Griff löst, nutze ich die Gelegenheit mit der Bemerkung „ i must pissing“. Ich verziehe mich nach meinem Geschäft hinterrücks in meine Hütte und bete, daß der Typ nicht auf die Idee kommt, mich darin aufzusuchen.

Samstag / Lørdag | 6. September (367km)

Die Tür kracht auf und mein dänischer U-Boot-Fahrer vermeldet im Befehlston „Morgen! Brot!“ knallt das Brot auf den Tisch und krachend fliegt die Tür wieder zu. Scheiße man, ich will nie wieder so geweckt werden! Ein Blick auf die Uhr verrät mir, es ist zu früh für mich zum aufstehen. Ich bin im Urlaub und nicht bei den Marines. Zwei Stunden später ein erster Blick vor die Hütte. Vom Dänen ist nichts zu sehen. Ich verputze schnell eins der Brötchen und packe eiligst meine Klamotten, drücke meine Kronen an der Rezeption ab und mach mich aus dem Staub. Und so, wie die Schranke im Rückspiegel verschwindet macht sich auch wieder Entspannung bei mir breit.

Von meinen letztjährigen Reisevorbereitungen weiß ich von einem kleinem Motorradmuseum im Ort und finde selbiges bereits nach wenigen Kreuzungen. Die Zeit bis zur Öffnung überbrücke ich mit einem großen Kaffee an der benachbarten Tankstelle. Und während ich so die morgendliche Sonne genieße, kann ich auch langsam wieder lächeln angesichts des gestrigen Erlebnisses. Die Pforten öffnen sich und ich werde Zeuge einer Sammlung hauptsächlich skandinavischer und amerikanischer Modelle. Aber es finden sich auch eine 150er TS und eine BK 350 in der Sammlung. Ich weise beim Verlassen noch darauf hin, daß ein wichtiges Exponat fehlt und deute durchs Fenster. Der Kassenwart nimmt es mit einem Lächeln zur Kenntnis. Ich dürfte nicht der erste AWO-Fahrer sein, der ihn darauf hinweist. Im Keller findet sich noch eine Sammlung an alter Rund- und Funktechnik. Auch wieder überwiegend skandinavischer Herkunft. Interessant lesen sich die ehemaligen Sendestationen auf den Skalen der alten Röhrenradios, und ich erinnere mich zurück, mit welch Bewunderung ich das magische Auge an Omas altem Radio als Knirps beobachtet habe. (Update: seit 2019 hab ich wieder ein magisches Auge. Freu!)

Meine letzte Etappe durch Dänemark führt mich über die Inseln Falster, Lolland,

Langeland, Fünen und Alsen schließlich wieder aufs Festland. Die dänische Landschaft hat dabei mal mehr, mal weniger ihren Reiz. Wirklich bemerkenswert ist für mich vor allem die Gegend südlich von Svendborg auf Fünen. Bis Faaborg fahre ich die Küste entlang und die Schönheit des Landstriches hat mich in ihren Bann gezogen. Daheim lese ich, daß diese Gegend unter den einheimischen Dänische Südsee genannt wird. Ich kann gut nachvollziehen, warum. Auf der Fähre zu dieser Insel hatte ich noch eine schöne Unterhaltung mit einem Ducati-Fahrer, welcher auf dem Weg zu einem Treffen in Odense war. Dieser schwärmte auch von der Gegend, und ich kann sagen, er hatte weiß Gott nicht übertreiben.

Bei Sønderborg erreiche ich wieder Festland, und mich erstmals wieder vereinzelte Regentropfen. Ein Gewitter war durchgezogen und hinterlässt ein feuchtwarmes Klima. Die Abendsonne quält sich durch die wieder aufsteigende Feuchtigkeit und färbt alles in ein rötliches Licht. Ein faszinierendes Lichtspiel, was mich zusammen mit der Luftfeuchte an fernöstliche Landschaften erinnert. Nur das es keine 40 Grad warm ist. Zum Glück.

Heutiges Etappenziel ist Friedrichskoog. Leider gab es dort keine offizielle Veranstaltung dieses Jahr. Aber was heißt das schon, dann mache ich mir eben mein eigenes Rock-am-Deich. Romy und Nick heißen mich herzlich willkommen und ich darf für die nächsten knapp 2 Tage ihr Gast sein. Als ich den Helm absetze, werde ich erstmals auf meiner Reise ernsthaft von Mücken attackierten. Hatte ich noch große Angst vor einer Mückenplage an den schwedischen Seen, die sich als unberechtigt herausstellte, so stellte sich der Deich diesmal als wahres Kampfgebiet der Plagegeister heraus. Wir verziehen uns schnell nach drinnen und schnacken noch gemütlich bis zum müde werden.

Sonntag | 7. September (0km)

Ausschlafen! Frühstücken und Kaffee trinken. Besuch kommt und man unterhält sich bei Kaffee. Danach zu Nachbars auf Kaffee und Kuchen. Des Nachbars Jawa angeschmissen und vor Nicks Garage zum Plausch mit Kaffee niedergelassen. Zum Abend macht Romy lecker Essen und wir schnacken wieder bis zum Bettgehen. Die einzige Aufregung, die der Tag brachte, war der viele Kaffee.

Montag | 8. September (488km)

Meine Gastgeber müßen ihre Brötchen verdienen und sind schon früh aus dem Haus. Ich packe das letzte Mal meine AWO auf dieser Tour, welche mich mit Ausnahme des ersten Tages auf Rügen, nicht einmal im Stich gelassen hat und zu meiner vollsten Zufriedenheit ihre Dienste verrichtet hat. Ich schlürfe noch einen Kaffee, erwerbe noch ein paar Gläser lecker Marmelade vom Nachbarn und mach mich kurz nach 9 aus dem Staub. Nach 10 Kilometer ein kurzes Zucken und aus ist die Maus. Ich grummle leise vor mich hin, weiß aber schon die Schwachstelle. Es ist wieder die Verbindung am Zündmagnet. Keine 5 Minuten später läuft alles wieder gehabt. Ein nicht mehr ganz so junger Biker hielt noch kurz an und bot mir seine Hilfe an, da er 200 Meter hin seine Garage hätte. Ich lehne dankend ab, da das Problem bereits gelöst ist. In Wacken tanke ich noch mal kurz, und dann geht es auf die ungeliebte Autobahn Richtung Heimat. Es geht durch den Elbtunnel und dann Richtung Lüneburg. Ab dort ist erst mal wieder Landstraße angesagt. Landschaftlich reizvoll bleibt die Strecke bis Salzwedel rüber. Ab Magdeburg dann der Endspurt wieder auf der Autobahn. Punkt 17 Uhr stehe ich wieder vor meiner Haustür und staune nicht schlecht über die reine Fahrzeit von 7,5 Stunden für die Strecke. Ich bin trotz Berufsverkehr super durchgekommen. Oben schmeiß ich meine Klamotten in die Ecke, dusche, und mache es mir mit einer Flasche Wein vor dem Rechner bequem. Als es so langsam sackt bei mir, genehmige ich mir einen ersten Blick auf meine Fotos und lasse noch mal die Tage Revue passieren lassen.

Bis auf den ersten und letzten Tag hatte ich traumhaftes Wetter, mal abgesehen von den kalten und nebligen Morgenstunden. Bis auf die zwei Aussetzer am Zündmagneten lief die AWO wie am Schnürchen. Es ist allerdings auch meine eigene Schuld mit der Bastelei, war es doch eh nur als Provisorium gedacht. Aber weil es vor dem Urlaub irgendwie lief, setzte sich doch die Faulheit durch, anstatt die Klemmstelle noch mal richtig anzufassen. An den dänischen U-Boot-Fahrer wird mich noch ein paar Tage ein blauer Fleck am Oberarm erinnern. Aber sonst war dies eine rundherum gelungene Tour. Die 3 Tage in Schweden waren nur ein Appetithäppchen, und ich bin sicher bald wieder und ausgiebiger in den dortigen Wäldern unterwegs. Ich kanns nur jedermann empfehlen – Schweden ist eine Reise wert!

Gruß Steppe

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