Frühjahrsausfahrt 2018

Die letzten Vorbereitungen zur Ausfahrt fanden 6 Stunden vor der Angst statt. Da in den Morgenstunden nur knapp über 0˚ C angesagt waren, musste erst mal die nötige Ausrüstung geschaffen werden. Auf die Schnelle ein Wildtier erlegt und das passende Utensil geschneidert.

 

So gerüstet ging es morgens halb 9 zum Sammelpunkt. Die Thermofunktionswäsche ist nicht gerade praktisch, schützen aber ihrem Aussehen nach auch praktisch vor kalten Patschehändchen. Ein Käffchen bei Uli und Torsten, gegen 10 trudelt Roger ein, und ab geht die Luzie.

 

Erste zeit- und kulturträchtige Sehenswürdigkeiten sind die nie fertig gestellte Elster-Saale-Kanalschleuse bei Wüsteneutzsch und die Saline in Bad Dürrenberg. Entlang der Saale ging es bis Naumburg durch beschauliche Dörfer mit Störchen auf der Wiese und Rehen auf dem Dach, oder umgedreht. Die obligatorische Baustellensperrung wurde auch diesmal wieder mit Bravour durch Ausheben der Sperrzäune bewältigt. Die AWO in ihrem Lauf …

Ab der „Henne“ Naumburg geht es an der Saale bis zur Fähre „Blütengrund“ auf dem Radweg entlang. An dem Tag sind viele Fußgänger und Radfahrer unterwegs, aber es beschwert sich keiner, das wir Karpeiken den Weg auch benutzen, ganz im Gegenteil, wir sehen viele fröhliche Gesichter und das macht uns wiederum froh. Die Sonne lacht, der Himmel ist blau und wir verabschieden uns von der Saale und sausen an der Unstrut weiter, vorbei am steinernen Bilderbuch und verschiedenen Straußenwirtschaften. Bis zum Wehr Zeddenbach, an dem wir die AWO´s abstellen und uns die Beine vertreten. Diese Mühle am Wehr vereint alles, was wir bis jetzt gesehen haben. Es überwiegt der Eindruck, hier findet Leben statt, es ist Raum für Geselligkeit. Auf der anderen Seite wird dem Verfall kein Einhalt geboten, aber auch das sieht nicht unangenehm aus. An diesem Karfreitag sieht alles schön aus. Wir knattern weiter, nach Zscheiplitz, zum Weingut Pawis. Ein Platz in der Sonne ist schnell gefunden, aber die Wirtschaft ist schlecht vorbereitet, ohne Schmaus und Trank ziehen wir weiter bis Nebra. Wir hätten gern in Zscheiplitz verweilt, aber das Personal war unterbesetzt und wir wollten unsererseits natürlich auch die Sonnenstrahlen nutzen. Wir entschließen uns, bis zur nächsten möglichen Versorgungsstelle zu fahren.

Das ist dann das Waldschloss Nebra, welches uns von einer Unwissenden an der Tankstelle empfohlen wird. Unwissend, weil sie doch tatsächlich fragt, ob das RT´s seien….. Weiter geht’s an den langsam abfallenden Weinbergen bis Nebra. Das Waldschlösschen wartet mit einem Freisitz auf, in dem es herrlich nach Bratwürsten auf Holzkohle duftet. Herz, was willst du mehr? Aber die Herren der Schöpfung sind der Meinung, unbedingt fürstlich an der weiß gedeckten Tafel zu dinieren. Und so gibt es an der feudalen Tafel Entenkeulen, Klöße, Rotkraut… Ohne Zweifel, ein Festtagsessen. Und wir sind zügig, zuvorkommend und äußerst nett von der erst zweiwöchig eingestellten Bedienung verarztet worden. Nebenbei wurde von einer Angestellten mit weißen Baumwollhandschuhen der Tisch eingetafelt. Eine ziemlich seltsame Situation, aber an dem Tag ist alles schön und wir sind selbst mit (noch) Nullpromille beschwingt und es hat eine Komik. Die Entenkeule mundet, auch der regionale Portugieser lässt sich nicht lumpen. Nach dem Begleichen gehts wieder auf die Zweiräder, natürlich auch diesmal mit reichlich Publikum. Mit einem weinenden Auge verabschiedet sich die eine Person, die gern auf dem Freisitz der Bratwurst gefrönt hätte, von dem herrlichen Duft.

Der kleine Zeiger der Uhr ist bereits zur Hälfte gen 3 gerutscht, als wir die restlichen 60 km in Angriff nehmen. Der Kyffhäuser wartet! Rogers Kolben klemmt ein wenig, und er erhöht etwas seinen Pegel.¹ In Bad Frankenhausen statten wir dem schiefen Turm noch einen Besuch ab, staunen wieder über die wunderhübschen, neu hergerichteten alten Häuschen neben leerstehenden alten Häusern, durch dessen kaputte Scheiben der Wind mit Fetzen von Gardinen spielt. Die schiefe Kirche, die sich bereits von Anbeginn ihres Daseins gegen alle Widrigkeiten zur Wehr setzte, versetzt uns in Staunen. Ohne Zweifel wäre sie ohne diese mega Stützen schon waagerecht, dem Erdboden gleich. Die Zeit, die wir in Zscheiplitz „vertrödelt“ haben, hängt uns jetzt nach. Also weiter. Gegen 16 Uhr sind wir auf den gefährlichsten Serpentinen Mitteldeutschlands unterwegs zu Barbarossa. Im Burghof Kiffhäuser – nein, Kyffhäuser – gibt es dann die groß zelebrierte Raik-Gedächtnis-Eisrunde. Wir gedenken unserem Freund Raik, der „freiwillig“ zu Hause blieb, um uns mit seiner Rhinitis zu verschonen. Bei der Bedienung hat bereits der Zahn der Zeit genagt, oder besser gesagt, hat der Tag seine Spuren hinterlassen. Sie vergisst bei einer Portion Eis den Eierlikör, was nun mal gar nicht geht. Von Hindenburg hat sie auch nichts gehört. Dabei weiß jeder, daß dieser hinterm Haus zur Hälfte aus dem Erdreich ragt. Als der Schlagerbarde im Nachbarsaal auch noch seine Segel streicht ist endgültig genug. Wir ziehen von Dannen.

Gen Heimat führt uns die Rückreise über die bekannteste Rennstrecke für Amateure in Mitteldeutschland die 36 Kurven hinab nach Kelbra. Die Leitplanken und Bäume verschwimmen seitlich der Motorradbrille zu schlängelnden Schlieren im Abendrot angesichts der abnormen Zugkraft unserer Gefährte. Zumindest war das früher so. An diesem Tag hat sich Torsten jedoch für eine Demonstrationsfahrt entschieden und somit bleibt Zeit, den Blick auf die schöne Rothenburg zu richten, welche sonst dem gesonnenen Motorradfahrer auf dieser Strecke verborgen bleibt. Über Tilleda, dem belanglosen, aber namentlich schönen Hackpfüffel führt uns der Weg nach Allstedt. Im Ortskern sahen wir zu unserer Linken eine mittelprächtige Burganlage am Berghang. Ein kurzer Blickkontakt und schnell wird sich für ein spontanen Besuch entschieden. Die Tore stehen uns offen und wir fahren bis auf den zentralen Burghof vor. Wir sind überwältigt von der zwar alten, aber gut erhaltenen Bausubstanz dieser Burg, die hier wohl keiner so richtig auf dem Schirm hatte. Es gibt ein Museum und ein Café, welche wir wohl zu einem späteren Zeitpunkt mal besuchen werden.

Der Horizont neigt sich der Sonne entgegen und wir nehmen wieder Fahrt auf, bevor das Dunkel der Nacht unseren Lichtmaschinen wieder das Fürchten lehrt. Nicht wahr, Raik? Die gemeinsame Fahrt endete kurz vor Merseburg mit einer kurzen Verabschiedung, bevor Anke und Marcel den schnellen Weg über die A38 in die heimatlichen Gefilde nahmen. Punkt 8 war für uns eine wiedermal wunderschöne Frühjahrsausfahrt zu Ende.

 

1) Es handelt sich hierbei um einen Aluminiumgusskolben im Motor einer AWO 425 Touren, sowie dem Niveau des Benzinstandes im Vergaser desselben Fahrzeuges. Nur falls jemand gedanklich dem technischen Horizont nicht ganz folgen kann.

Total distance: 324.81 km

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