Tour de France

Tag 17 (28/06) – Wildcampen

Ohne Hast steht morgens erstmal Käffchen und Frühstück auf dem Plan. Marcel hatte gestern schon über den Campingplatz Croissants bestellt, die wir nur noch abholen müssen. Schöner kann ein Sonntag nicht beginnen. Ich versuche, mich nur noch auf „schön“ zu konzentrieren, damit mich die Tatsache, dass wir uns auf dem Heimweg befinden, nicht vollends runter zieht. Eigentlich will ich nicht nach Hause. Nach Hause. Wo ist das überhaupt? Ich bin doch jetzt in diesem Zelt zu Hause, oder nicht? Zurück zum Frühstück. Wir erkoren ein Bungalow-Vordach-Terrassen-Ding (möbliert) zu unserem Salon und tafeln auf. Baguette, Croissants, Marmelade, Honig, Salami, Käse, Kaffee – uns geht’s ganz schön gut. Danach alles zusammen packen, ich kümmere mich um die Küche und Marcel ums Schlafzimmer. Das hat sich über die Jahre eigentlich so eingespielt. Dann sitzen wir auf dem Motorrad und „Tschüssi“ du schöne kleine Stadt, ich wäre ja so gerne noch geblieben… Es geht durch Landschaft, die teilweise dem Thüringer Wald ähnelt, immer schön die geschlängelten Nebenstraßen lang. Wer denkt, das ist Entspannung, der irrt ein wenig. Zumindest die Führungskraft hat von der Umgebung nur den halben Spaß. Die Blicke sind nur auf der Straße, dem Navi und dem Rückspiegel. Trödelt der Hintermann, oder hat nicht die richtige Hauptdüse dabei, muss die Geschwindigkeit immer wieder angepasst werden. Ich bin die letzten Tage schon immer solange vorn, bis mein Akku schlapp macht, dann macht Marcel den Guide und ich lass mich ziehen. In Estables sehen wir wieder eine Kirche oder ein Chateau am Berg kleben. Wir kullern hoch und stapfen mal durch. Es ist alles sehr ruhig in der Nachmittagswärme Okzitaniens. Der Ortsteil oberhalb des Ortes nimmt uns auf und heißt uns willkommen. Es ist altes Gemäuer und dennoch belebt. Wir sehen aber nur wenige Menschen. Völlig richtig ist es, in der Mittagshitze Siesta zu halten. Die meisten Fensterläden sind halb geschlossen, wie überall. Die Architektur Frankreichs in der ländlichen Gegend freut mich. Wenn es kleinere Ortschaften sind, dann sind die Haustüren und Fenster am Gehweg auf Höhe der Fußgänger, was bedeutet, ich könnte mich jederzeit mit Bewohnern vom Gehweg auf Augenhöhe unterhalten. Wenn ich französisch könnte. Die Häuser kleinerer Ortschaften sind maximal zweigeschossig. Dreigeschossig in größeren Ortschaften. Mehr als drei Geschosse habe ich auf der Reise nicht gesehen. Abgesehen von Kirchen und Chateaus. Das heißt, wir sind wirklich abseits der Pisten unterwegs gewesen. Manchmal war es so, dass wir durch Ortschaften mit zwei oder drei Häusern gefahren sind, die noch nichtmal ein Schild hatten. Auch heute beschließen wir zur Nachmittagszeit ein Cafe oder eine Bar aufzusuchen. Der nächste größere Ort ist Langeoc, ziemlich zentral ist etwas gelegen, was mir vorschwebte. Eine Lounge, oder Bar, sehr gemütlich und als ich den Helm abziehe, höre ich Musik, in die Richtung Swing. Oh fein. Ich suche einen Platz aus und da erst fällt mir Marcels Gesicht auf, wie drei Tage Regenwetter. Eis und Kaffee können ihn nicht erheitern. Auch nicht der Name der Lokalität: „Le BH“. Mich erheitert dafür ein alkoholisches Mixgetränk, sowas wie Aperol Sprizz, statt Aperol aber was mit Grapefruit. Eine Karaffe Wasser gibt’s sowieso immer und die wird auch dankend angenommen. Als wir dann weiter fahren, muss Marcel rückblickend einräumen, dass die Wahl tatsächlich nicht schlecht war, denn etwas Besseres bot sich auf dem weiteren Weg heute nicht um die Nachmittagsgelüste zu befriedigen. Weiter geht’s durch die schöne Landschaft, bis wir bei Orsonnette eine Minihochebene erreichen und das so schön aussieht, dass ich dem Chevalier die Idee des Tages unterbreite: „Hier ist es so schön, lass uns wild campen.“ So ganz ist er nicht überzeugt und ein bisschen mulmig ist ihm auch, aber wir finden ein schönes Plätzchen im Kornfeld. Und noch ehe irgendwas anderes ausgepackt ist, ist der Pastis offen und weg schicken kann uns jetzt keiner mehr, hicks, nur noch mittrinken. Aber auch zum mittrinken kommt keiner und so baut Marcel dann doch das Zelt auf, wobei wir eigentlich ohne Zelt draußen pennen wollten. Allein die dunklen Wolken rieten uns davon ab. Tschüssi du schöner Sonntag!

Details
20200628

2 Comments

    • Steppe

      So ein Bericht braucht Zeit, die Abends nach Ankunft nicht immer vorhanden ist. Das wird dann nachgereicht, wie jetzt gerade wieder. Bald ist alles vollständig.

      Gruß Steppe

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert