Tour de France

Tag 19 (30/06) – Adieu France

Steppe und ich sind trotz der kurzen Nacht ziemlich zeitig wach und pellen uns aus den Penntüten. So ein einsamer Platz am See im Morgen ist etwas traumhaftes. Also verlieren wir auch gar nicht viel Zeit, ich hüpfe nochmal in den Teich, den ich gedanklich von „Schwansee“ in „Froschtümpel“ umgetauft habe. Dann gibts Eierkuchen zum Frühstück und noch vor acht Uhr sitzen wir im Sattel und los geht die Hatz. Ich hatte mir vor Tagen schon Strasbourg gewünscht, weil ich da vor 20 Jahren mal war und mich an das Viertel „Klein Frankreich“ erinnerte. Jedenfalls sind das mehr als 300 Kilometer und das Tagesziel ist damit noch nicht erreicht. Alle 100 Kilometer versuchen wir eine etwas größere Pause einzulegen, das hat sich für mich als optimal herausgestellt. Einmal fällt die 100 Kilometer-Pause so günstig, dass wir in einem kleinen Restaurant dessen Name das Wort „Pause“ enthielt, gleich einen Happen zu uns nehmen. Die Bedienung versucht uns auf französisch und mit Übersetzungs-App die Speisekarte zu überliefern und wir sagen nur „jaja, immer her damit“. Leichtsinnigerweise hatten wir zwei Gänge bestellt, wobei der erste Gang schon genügt hätte. Auch gut, dann müssen wir uns in Strasbourg nicht gleich auf die Essensjagd begeben. Die letzten Kilometer stehen an und wir starten mal wieder nicht ohne reichlich Komplimente für die AWOs eingeheimst zu haben. Die Franzosen sind ein ebenso begeisterungsfähiges Volk wie die Deutschen, kein Zweifel. Der letzte Franzose, der kein englisch und auch sonst keine Fremdsprache konnte, lies sich nicht davon abhalten, uns in Landessprache mit leuchtenden Augen zu sagen, wie schön er die beiden fand. Wir bedanken uns und ich versuche ihm dennoch irgendwas von uns und den Motorrädern zu erzählen. Am Ende lassen wir das, lächeln nur, geben uns gebenseitig den Daumen hoch und los gehts. Strasbourg tut sich langsam vor uns auf, es wird mehrspuriger und ich habe das Gefühl, der Bildschirm meines Navis (Handy) ist viel zu klein. Zack, Abfahrt verpasst. An der nächsten Ampel steht Steppe neben mir und kann sich nicht verkneifen, mich auf die Schilder aufmerksam zu machen. Böse blitze ich ihn an. Nach einer Ehrenrunde haben wir den Zielpunkt gefunden, aber mit meiner Erinnerung hatte das alles irgendwie gar nichts mehr zu tun. Zu allem Überfluss scheint mein Vergaser irgendwo einen Popel sitzen zu haben, so dass mir im Standgas die Kerze verrußt. Na super. Jetzt habe ich einen Großstadthasser an der Backe und eine Walli, die offensichtlich auch keine Großstädte mag. Die Verschwörung ist perfekt und ich ergebe mich meinem Schicksal. Die Fotos, die es in Gedanken gab, die Motorräder in Klein Frankreich und die Motorräder vor dem Europa Parlament verschwinden im Fahrtwind. Nicht ein einziges Foto von Strasbourg und uns. Adieu France! Stadtauswärts geht mir das Motorrad dreimal aus, wegen zu langsam und zu viel Verkehr und was auch immer. Früher wars mir peinlich, wenn ich absteigen und neu antreten musste. Heute ist es mir egal. Ich muss nichts beweisen. Oder anders, ich weiß, dass ich es kann. Irgendwo 30 oder 40 Kilometer vor Neustadt an der Weinstraße verabschiede ich mich kurzzeitig von Steppe, die letzten Kilometer will ich vor mich hintrödeln, auskullern lassen, durch verschiedene Weindörfer, ich bin ja schließlich im Urlaub und nicht auf der Flucht. Steppe rauscht weiter auf der Autobahn, wir treffen uns bei Ingolf an der Garage und alles ist entspannt. Den Abend lassen wir gemütlich bei Ingolf ausklingen und freuen uns schon wie doof auf die Klappcouch.

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20200630

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