21/8 English for you – Lesson 1

Ja ja, ich hab zwar gestern Abend die Augen zu gemacht, aber das impliziert nicht eine geruhsame Nacht. Es war auch stockfinster, weil Innenkabine. Ein unaufhörliches Vibrieren des Schiffsdiesel drang durch das ganze Schiff, und immer schön unrhythmisch. 5.45 klingelt der Wecker. Aufstehen, hübsch machen, und ab zum Frühstück. Es ist menschenleer. Eine vorbei eilende Servicekraft frage ich nach Breakfast und man teilt mir mit „6 o’clock“. Isses doch, denke ich, und schau auf mein Handy. Da steht auf einmal 5 Uhr! Ich werd wahnsinnig. Eine schlechte Nacht, und dann auch noch zu kurz! Nach was soll man denn den Wecker stellen, wenn 5.45 Uhr in England … lassen wir das. Der Kaffee hätte noch was retten können, aber …
Schlecht geschlafen und über 300km vor mir, und das alles mit Linksverkehr. Mir ist unwohl! Es sind ca. 50 Biker an Board, und ich denke, bis ich aus Hull raus bin, hänge ich mich einfach irgendwo dran. Aber die haben alle mit sich zu tun und sammeln erst mal ihre Truppenteile nach der Passkontrolle. Also stürze ich in die Stadt und verpasse gleich die erste Abbiegung. Egal, dann immer gerade aus und erst mal raus hier. Die Hauptstraße in Hull ist mehr eine Baustelle und es gibt somit kaum Kreisverkehre. Ich würde gern klein anfangen, aber bis York ist mächtig viel Verkehr und ich muß mich mächtig konzentrieren. Um es abzukürzen: ich bin nicht einmal rechts gefahren, und gehupt hat nur einer, weil ich beim Fotografieren nicht günstig stand.
Die Route bis Aberdeen habe ich bereits daheim geplant und hab mir schöne kleine Straßen durch die Naturparks zusammen geklickt: Yorkshire Dales National Park und North-Pennines National Park. Hat man es erst mal ein ganzes Stück hinter York geschafft und lässt das flache, teils hüglige Land hinter sich, offenbart sich im Herzen Englands mit Beginn des Nationalparks ein grandioses Stück Natur. Ich durfte schon einige schöne Flecken in Europa besuchen, aber dieses Fleckchen England hat seinen eigenen Charme. Nicht allzuviel Wald, sanfte, teils schroffe Täler, dann wieder Hochebenen, die entfernt an Norwegen erinnern. Wenn man oben ist, kann man den Kontrast der durch die Sonne hell erstrahlten Felder und die in Wolken eingeschlossenen Gipfel und Täler genießen. Wunderprächtig! Und als wäre das noch nicht genug, ist das Asphaltband auch noch wie gemacht fürs Motorradfahren. Ok, der Belag ist nicht immer erste Sahne, aber geradeaus fahren findet nicht mehr statt. Endlich kann man mal die Autobahnkanten vom Reifen abfahren. Und so genieße ich Stunde um Stunde durch Englands bezaubernde Mitte. Am Castle Bolton mach ich mir einen Kaffee, der den Namen auch verdient und beiße in zuvor gekauften Cheese und Bagels. Und das gefürchtete englische Wetter? Sieht gefährlich aus, aber wirklich regnen tut es kaum. Ab und zu mal Nieseln, aber auch Sonne. Bis, ja bis ich in Bellingham vor einer geschlossenen Tankstelle stehe und anschließend in ein Tal Richtung Kielder Forest abbiege. Es lag fett und unausweichlich vor mir: Regen satt! Also Augen zu und durch, ich wußte ja, auf was ich mich einlasse mit England. Nervös machte mich nun aber die Tankstelle, welche nun schon einige Zeit nicht mehr auf meiner Strecke lag. Hätte ich doch in Bellingham gucken sollen, wo es das nächste Gezapfte für die AWO gab? Am Kielder Water, ein schöner großer See, und endlich auch mal Wald, sieht es sehr schön nach Natur aus, aber erst Recht nicht nach einer Tankstelle. Das macht mich nun doch so nervös, daß ich die Fahrt im strömenden Regen stoppe und auf dem nassen Display meines Navis, die Karte hin und her schubse. Da, geht doch, wenige Kilometer voraus. Als ich ankomme, denke ich so, Scheibenkleister, eine richtige Tanke wäre mir jetzt lieber gewesen. Eine SB-Säule ohne Dach. Karte raus und Tankdeckel, und das im strömenden Regen. Ich bekomme es irgendwie hin, und Gott sei Dank, gibt es einen wirklich kleinen Tankstellenshop und ich gönne mir erst mal ein Schälchen Heißes zum aufwärmen. Mit den Regen ist es nun doch frisch geworden. Und wie ich da so meine Hände wärme und die Augen langsam schwer werden, denke ich so an letzte Nacht und sag mir, lass gut sein für heute. Die Hälfte bis Aberdeen ist geschafft, morgen mit alter Frische. Doch eine Penne muß erst mal gefunden werden. Selber Zelt aufbauen heute noch? Wenns nicht unbedingt sein muß … Ich schmeiße booking.com an und finde nichts. Garnichts? Die App muß kaputt sein. Ich probiere es direkt über die Internetseite und finde die billigste Unterkunft für 104€ in 27km Entfernung. Nö du, muß jetzt auch nicht sein. Mein Kaffeebecher steht auf einer Landkarte aus der Gegend, in der ich grad planlos rumstehe. Und meine entzündeten Augen entdecken einen Campingplatz mit dem schönen Namen „Warm room“. Der Name wäre blöd, wenn der nicht ein paar Hütten hätte oder ähnliches. Schlag ich mein Zelt auf, ist da nix mit warm room. Und der täte mir jetzt gut. Der Regen wird wohl noch die ganze Nacht dauern. Ich frage also die Kassiererin wie es denn um den Zeltplatz bestellt ist, und sie sehr hilfsbereit ruft einfach mal Chef de camping und ordert für mich eine Hütte. Freu, und der Regen ist auf einmal viel weniger doof. Steve, the boss vom the campsite, empfängt mich, daß ich verry lucky sein müße, da ich die letzte freie Hütte bekomme. Zum Sparpreis von 50€. Und in der Hütte ist nichts. Kein Bett, Schrank, etc. ABER: Fußbodenheizung und Teppich. Was willste mehr. Das ich meine eigene Matratze aufblasen muß, juckt mich nicht. Und der Rest an Motorradklamotten liegt ja doch meist mit oder ohne Kleiderschrank oder -haken auf dem Fußboden rum. Also abladen, Blog schreiben (mir brennen schon die Augen, so müde bin ich), und ab in die Heia. Von Steve erfahre ich noch, daß ich Schottland nur um 3km verpasst habe. Man kann eben nicht alles haben an einem Tag.

Total distance: 350294 m

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