Was für eine Nacht! Es wird die erste komplett ohne Schlaf sein. So schön ein Sonnenuntergang am Meer auch sein mag, und so mit Zelt und Motorrad am Strand strahlt das ja voll Romantik aus, aber: Augen auf bei der Wahl des Ruheplatzes. Wähle niemals einen Platz am steinigen Ufer, erst recht nicht, wenn Windstärke 6 bis 7 angesagt ist, in Böen mehr. Die Lautstärke der Gischt kam mir trotz Ohrstöpsel ohrenbetäubend vor. So beim Sunset fotografieren und Reisegeschichte schreiben war mir das garnicht aufgefallen, aber als ich dann so eine Weile in der Koje lag, hab ich mir schon Gedanken gemacht über meine vorausschauende Standortwahl. Für Nervenkitzel sorgte zusätzlich die steife Brise, die das Zelt anständig durchgewalkt hat. Ich war mir schon sicher, die Heringe in ausreichender und sicherer Weise befestigt zu haben, aber wenn in der Nacht die Zeltwand sich regelmäßig auf dein Gesicht legt, dann kann dir schon mulmig werden. Ich hab mich schon wie Elli¹ ins Wunderland davon fliegen sehen. Smaragden hätte es wohl keine gegeben, gewundert hätte ich mich trotzdem sehr.

Es war also schon ein Erlebnis, die Nacht. Aufgrund der Schlaflosigkeit hab ich mir nichts großes vorgenommen, nur wieder ein bißchen was zusammen geklickt im Navi und ab die Fuhre. Nach so 50km in dem Örtchen Ballycastle fingen meine Augen an zu blitzen: Bakery, open! Na aber dann! Zwar war das Frühstück kaum eine Stunde her, aber im Urlaub geht Kuchen auch mal zur Mittagszeit. Ein paar Brötchen dazu (nein es sind keine, aber die Größe haut hin, und was es wirklich ist, hab ich mal wieder nicht verstanden, es soll aber zu Käse passen), und mit der Verkäuferin geplaudert. Von ihr bekomme ich noch ein paar interessante Sehenswürdigkeiten vorgeschlagen. Für eine davon nehme ich sogar ein paar Kilometer zurück in Kauf, was sich definitiv gelohnt hat. Die Felsnadel Dún Briste mit ihren über 50m und den umgebenden Klippen ist sehenswertes Naturschauspiel. Dazu gibt es ein Höhlensystem, in dem das Meer auch weiter innen im Land noch brodelt und schäumt. In Béal an Mhuirthead nutze ich die Gelegenheit für einen Servicestopp und gönne der AWO neues Öl. Bei der letzten Kontrolle des Ölstandes war mir die Brühe doch ganz schön schwarz. Also wenn sich die Gelegenheit bietet, dann … und sie bot sich heute, so ohne Zeitdruck. Neues Öl gekauft und einmal komplett Ölwechsel an Motor und Getriebe gemacht. Getriebe deshalb, weil ich mir unsicher war, ob da nicht nach dem Überholen noch ein bißchen Abrieb mit rumschwirrt. Also dachte ich, lieber man hat, als man hätte. Fazit beim Ablassen: hätte auch drin bleiben können. Das Motoröl war hingegen schwarz wie die Nacht. Nicht verkehrt, da mal frisches zu verabreichen. Nur, was soll dieses komische Teil da am Magnet der Ablassschraube? Gereinigt, und? Gucke da, ein Stück Käfig des hinteren Kurbelwellenlagers. Nun grüble ich anständig, was das nun für die weitere Fahrt zu bedeuten hat. Nun ja, erst mal nichts. Nach wie vor gilt, die AWO summt, wie ein Bienchen. Und mit dem Käfig kündigt sich früher oder später Ungemach an. Nur kann und will ich jetzt hier nicht den Motor aufmachen, um den Zustand auf den Grund zu gehen. Bei Colin auf den Shetlands war beim Dichtringtausch noch nichts zu sehen von einem kaputten Käfig. Gedanken, von wegen Flugzeug und Ersatzmotor holen, krauchen aus dem Dunkel der Gehirnkammer hervor, ich wische sie aber flux wieder weg. Ich nehme das Stück Käfig zur Kenntnis und werde den Rest dieser Tour besonders hinhören. Möge der Rest der Tour vor meiner Haustür enden.

Zeit sich Gedanken um die Übernachtung zu machen. Nach der schlaflosen Nacht – erstaunlicherweise komme ich ganz gut über den Tag – gehe ich auf Nummer sicher und buche mir ein richtiges Dach über den Kopf, mit Bett und warmer Dusche. Nach zwei Nächten Wildcampen auch nicht so abwegig. Auf den Weg dahin klicke ich mir noch 3 Castles auf dem Weg zusammen. Aber was für ein Reinfall! Nummer eins komme ich nur auf 50m ran, und mittendrin steht ein Bagger. Nummer zwei steht auf einem Privatgrundstück und ich bekomme es nicht zu sehen, falls da überhaupt eins sein sollte. Und Nummer drei ist komplett eingerüstet. Das Motorradwandern war heute wieder schön, die Castle-Nummer hingegen vergessen wir mal ganz schnell wieder. Die Unterkunft liegt fantastisch an einem Berghang und bietet einen weiten Blick übers Land. Nur der Sonnenuntergang fällt heute leider ins Wasser. War der Nachmittag durchweg sonnig, so schiebt sich eine knappe Stunde zuvor doch noch eine Wolkenfront vor den Horizont und macht das Schauspiel zunichte. Von hier oben wäre das noch mal ein richtiges Gimmick gewesen. Und wenn es nicht so arschkalt wäre, wäre das ein schöner Platz, mal eine Zigarre anzuzünden und die Aussicht zu genießen. Mal gewinnt man, und mal verliert man.

Eins muß ich noch kurz anmerken: Irland ist unglaublich schön und zum Motorradfahren prädestiniert, wenn man nicht gerade eine Frostbeule ist und anständige Regenklamotten hat. Aber was ich zahlenmäßig an Motorradtouristen bisher erlebe, tendiert gegen Null. Touristen mache ich an Gepäck fest, also meist BMW GS. Gestern sah ich eine, heute schon zwei Maschinen. Wo fahren die alle hin? Nur noch Norwegen und Alpen? Naja, mir solls Recht sein.

¹Der Zauberer der Smaragdenstadt, A. Wolkow

Total distance: 248112 m

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