10/9 Elegie über das Reisen

Die Ruhe vorm Sturm hat mich in den Schlaf gewogen, der Sturm selbst hat dann das Zelt verbogen. Der Regen schwer vom Himmel fällt, dem Steppe das wohl kaum gefällt.

Mir wurde heute wohl der Zahn gezogen. Obwohl nichts zu sehen war, hab ich mich trotzdem weiter gen Norden in den Eryri-Nationalpark begeben. Erst gegen Nachmittag, als ich mich bitter nötig bei einem Kaffee und einer Suppe aufgewärmt habe, rissen die Wolken langsam auf. Hier und da blinzelte die Sonne durch, ohne das die Temperaturen auch nur ein bißchen anstiegen. Aber immerhin bekam ich nun wieder mehr von der grandiosen Natur zu sehen.

Irgendwo hier in den Bergen, die Kehrtwende gen Süden hatte ich schon vollzogen, manifestierte sich ein Gedanke. Kein klarer Gedanke, der wohl überlegt oder zurechtgelegt wurden. Mit jedem Meter, den es nun wieder bergab ging, mit jedem Kilometer Richtung Süden, mit jeder Minute, die die Zeit zum Abend kürzer machte, war es, als ob sich der Nebel um das eine große Ding lichtete und dieses sich immer klarer zu erkennen gab: bring diese großartige Reise zu Ende.

Im Kopf war also klar, wo nun die Reise hingeht. Ein paar Gründe seien doch genannt. Da ist zu einen der unheimliche Anteil an Splitt auf den Straßen, welcher vor allem in der Mitte der Fahrspur liegt. Das strengt unheimlich an, weil man in Kurven konsequent die Spur halten muß und nicht über die gesamte Breite der Fahrbahn treiben darf. Ich könnte nachts auf den Straßen garnicht fahren, weil man dann garnicht mehr sieht, wo Splitt liegt. Im Zuge dessen ist die rechte Hand die ganze Zeit am Handbremshebel und findet kaum Entspannung. Es ist, glaub ich, das erste mal, daß ich einen blauen Daumenballen habe. Mit Scheibenbremse … hab ich aber nicht. Sicher hat mir auch das Wetter langsam aber sicher den Zahn gezogen. Dabei waren die letzte 4, 5 Tage garnicht mal so schlecht. Für britische Verhältnisse wohl schon fast Hochsommer. Nur, Sturmböen auf schmalen Bergstraßen, dazu Regen satt, wie heute, macht mich eben schneller mürbe, als wenn ich nur mit einer Widrigkeit zu kämpfen habe. Das sind sicher Punkte, da kannste jammern oder stehst sie durch. Aber es gibt ein Kriterium, das primär bestimmt, wie weit man das Spiel treibt: das ist der Finanzrahmen. Und der sagt gerade eindeutig „Geh nicht über Los!“. Es sind schließlich noch ein paar Kilometer, die nur mit Benzin bewältigt werden können, am besten mit bezahlten Benzin. Und eine Fähre will auch noch finanziert werden. Last, but not least, will ich mein Hinterreifen nicht wieder für de luxe Kosten im Ausland wechseln, dann sollte ich ihm genug Britannien zugemutet haben und hoffen, daß er mich wenigstens mit den letzten Millimetern Kontur noch nach Hause trägt.

Gegen 18 Uhr streiche ich die letzten Eckpunkte meiner heutigen Tagesroute und gebe als Ziel Poole ein, von wo ich plane nach Frankreich überzusetzen, nur um eine ungefähre Vorstellung zu bekommen, wie meine Route verläuft und wieviel Zeit ich dafür einplanen muß. Zu allem Überfluß ist nun auch noch mein Datenvolumen aufgebraucht und ich habe kein Internet mehr. Ich kann neues Volumen kaufen, über Internet. Merkt schon, schöne neue Technik, die wir da haben. Ich bekomme also erst mal keinen weiteren Informationen bezüglich Übernachtungsmöglichkeiten oder Fährverbindungen. Bleibt nur Wild- oder richtiges Camping. Die Wildcamping-App arbeitet nicht ohne Internet. Ich fahre noch eine halbe Stunde und entscheide mich, über die Camping-App den nächsten Campingplatz anzusteuern, da gibts in der Regel auch Wifi. Zufällig ist genau dort, wo ich zum schauen anhalte, ein Platz um die Ecke. Also abgepackt, Nudeln gekocht, und rein ins Pub ein Bier bestellt, ähm zwei. Und Datenvolumen hab ich nun auch wieder. Nach zwei Bier werd ich melancholisch, weil ich weiß, daß es nun zu einer Heimreise wird. Die Waliser im Pub nehmen von mir keine Notiz, während ich hier schreibe, spielen Billard den ganzen Abend, und interessieren sich auch nicht für das Länderspiel England gegen Finnland, was über den großen Monitor flimmert. Waliser sind nun mal keine Engländer.

Total distance: 242822 m

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