26/8 Desert Highway
Ein Frühstück, ein paar Feigen, und ein paar Wanzen oder Flöhe gibts zum Abschied. Doch bevor es los geht, ist auch gleich wieder Schluß. Das ganze Fahrzeug ist völlig instabil. Ich vermute Luftverlust in den Reifen. Und der Sohnemann vom Herbergsvater lotst mich zum Dorfkonsum mit angeschlossenem Werkstattservice. Das Flair entspricht den beiden Werktätigen in diesem Ambiente: historisch wertvoll. Doch die Luft im Reifen, die noch reichlich vorhanden ist, ist es nicht. Ich muß den helfenden Mitarbeiter höflich bitten, daß mit den 5 Bar doch mal bitte zu unterlassen. Statt dessen entdecke ich zwei gebrochen Speichen im Hinterrad. Und die Inspektion der restlichen Speichen offenbart eine mittlere Katastrophe. Alle Speichen locker! Wie konnte ich es gestern Abend überhaupt noch bis hierher schaffen? Und vor allem zeigt es, wie sensibel ich am Ende einer Tagestour auf „kleine“ Ungereimtheiten am Fahrzeug reagiere. Ich leihe mir ein Maulschlüssel, packe alles Gepäck ab, und mache mich an eine notdürftige Reparatur. Zwar ziehe ich möglichst gleichmäßig alles wieder an, kann aber nicht auf genaue Zentrierung dabei achten. Innerlich fluchend setzt aber auch der Lerneffekt ein: nie wieder Edelstahlspeichen! Auch nicht, wenn sie 4,5mm dick sind. Im Konsum gibts noch einen Saft kostenlos nach getaner Arbeit, und dann mach ich mich in den Staub. Ja, richtig, in den Staub, nicht aus dem Staub. Jetzt gibts Wüstenfeeling, auch wenn ich mich nicht unmittelbar in der Sahara befinde. Aber zwischen Atlas und Sahara ist der Übergang fließend. Und so ziehe ich meine Kreise durch kleine Canyons und Linien durch wüstenähnliche und endlosen Ebenen. Aufregend, mal durch so eine Landschaft mit der AWO zu „cruisen“. Der Gedanke, jetzt eine Panne zu haben, wird soweit weggeschoben, wie noch nie. Ich sehe das weiße Skellet – also meins – neben einer vom Wind und Sand zerfressenem Fragment, was mal eine Maschine oder Automat gewesen sein muß. Und marokkanische Archeologen werden vielleicht in 100 Jahren versuchen, daß Rätsel dieser exotischen Maschine und des daneben liegenden armen Irren zu lösen versuchen. Ein aus Russland zu Hilfe gerufenes Archeologenteam wird dann ziemlich schnell feststellen: Автовело! Zunächst muß ich mich aber wegen einer Tankfüllung wieder Richtung große Hauptstraße begeben. Und anschließend gehts sofort wieder zurück, durch die Wüste, ab in die Berge. Erwähnte ich schon die atemberaubende Schönheit des Atlas-Gebirges? Leider ist der Tag zu kurz, um alles vollends genießen zu können. Und den krönenden Abschluß, offroad auf über 3000m zu kommen, muß ich aus sicherheitsrelevanten Gründen wegen Anbruch der Dämmerung leider canceln. Ein letzter Funken an Restvernunft hat doch noch obsiegt. Ein fürs Ego persönlicher Rekord mit der AWO geht mir flöten, aber die Rauheit und Schönheit, dieses Impossarium der Berge, Schluchten und Hochebenen ist auch ohne 3000m der Gipfel der Genüsse! Über die Gefährlichkeit so mancher schwieriger Abschnitte schweige ich mich an dieser Stelle aus, meiner Mama wegen. Sie muß nicht wissen, daß es Stellen der Unumkehrbarkeit gab, daß manches Stück Schotterpiste auch immer etwas Glück braucht, daß ein Bruchteil einer Sekunde Unaufmerksamkeit eine gewisse Fallzeit ins Tal beinhaltet, noch mal über den eben gemachten Fehler nachzudenken. Die letzte Stunde bis Tinghir gehts auf langweiliger Straße in die Dunkelheit hinein. Und die Ortschaft, und nicht nur diese, macht Abends kein Spass. Denn ist die Sonne untergegangen, beginnt für den Marokkaner das Leben. Man begibt sich zum Einkaufen oder trifft sich einfach. Wenns sein muß, auch mitten auf der Straße. Ein Highlight hab ich mir dann aber doch noch aufgehoben. Ich komme zwar völlig erschöpft kurz hinter Tinghir an mein Ziel, aber hey, Leute, nach so einen Tag darfs auch ein bißchen Pool zum Abschluß sein!
PS: Der leuchtende „Finger“ auf Bild 4 ist übrigens nicht E.T., sondern eins der größten Solarkraftwerke der Welt in der Nähe von Ouarzazate. Selbst aus großer Entfernung erscheint dieses Leuchten unreal, wie einem Sience-Fiction-Film entsprungen.

































