27/8 Over The Mountain And Far Away
Vor oder nach dem Frühstück in den Pool? Weder noch. Das Wasser ist frisch, und morgens mag ich das maximal ins Gesicht. Die Route heute ist viel kürzer, als ich mir für die Planung selbiger Zeit nehme. Dabei sieht das alles sehr simpel aus. Von meinem Hotel am Eingang der Toudgha-Schlucht geht es durch selbige, dann einmal links den Berg hoch, einmal rechts den Berg noch höher, und dann sollte ich den höchsten befahrbaren Pass auf einer Straße in Marokko, also nicht offroad, erreicht haben. Allerdings mußte ich zu Beginn der heutigen Etappe noch mal nach Tinghir zurück, da ich gestern im Dunkeln nur noch den Pool vor Augen hatte. Leider kam es hierbei zu einem unschönen Manöver mit einem SUV-Fahrer, der mich eiskalt abgedrängt hat. Eine Erfahrung, die ich leider auch immer mehr in Deutschland mache. Wut macht sich breit, und ich weiß nicht, ob und wann meine Rachegelüste sich ihren Bann gegen jede Vernunft brechen und ich eines Tages mit Farbspray und Eisenstange nur auf solche Momente warte. Die AWO mag behäbig eine Hürde von über 3000m Höhe schaffen, für eine Gefahrenbremsung in Bruchteilen einer Sekunde auf wenige Meter Länge ist sie nicht geeignet. Auf dem durch die Toudgha-Schlucht habe ich den Vorfall fast wieder vergessen. Der kleine Fluss parallel zur Straße führt im Gegensatz zu den meisten anderen auch redlich Wasser. Und ich frage mich, ob das hier ähnlich dem Trusetaler Wasserfall künstlich hergepumpt wird. Egal. An der schmalsten und schönsten Stelle entwickelt sich die Szenerie zu einem Wallfahrtsort. Verkaufsstände unter Felsvorsprüngen säumen die Straße und etliche Menschen tummeln sich im Fluß. Auch ich beschließe, meine Mauken in das kühlende Nass und etwas inne zu halten. Ab hier, wo ich sitze, gibts kein Trinkwasser mehr. Die AWO mitten auf der Straße zieht die Aufmerksamkeit auf sich und es entwickeln sich kurze Gespräche. Nicht nur hier, auch schon bei anderen Gelegenheiten fällt mir auf, daß die Leute höflich nach Erlaubnis fragen, ein Foto machen zu dürfen. Ich finde das immer sehr schade, daß sich scheinbar der furchtbare Gedanke durchgesetzt hat, selbst in der Öffentlichkeit um Erlaubnis zu fragen, ein Foto machen zu dürfen. Diesen ausgesprochen Blödsinn gabs vor dem Internet nicht. Dinge der Öffentlichkeit, Architektur jeden Alters, Kunstwerke und AWOs (ist beides das selbe) sollten natürlich fotografiert werden dürfen. Wer das nicht will, soll sein Zeug zu Hause lassen und die Rollos runter machen. Hin und wieder fällt auch die Bemerkung „Deutschland tolles Land“. Vielleicht beim Bier oder Rechtsabbiegepfeil? Ich verkneif mir bei derlei Ausrufen eine Reaktion. Ich löse mich langsam von der Szenerie und genieße den Rest der Schlucht, die durchaus noch einige schöne Ecken parat hat. Dann kommt mein Abzweig und es heißt langsam, aber stetig auf Höhe zu kommen. Und in dieser Gegend erlebe ich nun erstmals das Gewimmel von Endurofahrern, mit denen ich doch im Gebirge bereits viel früher und mit mehr gerechnet habe. Ganze zwei Stück waren es heute. Haben auch gewunken. Dieser erste Abschnitt kam den 3000m schon sehr nah. Doch erst nach dem Rechtsabzweig ging es dem eigentlich Ziel entgegen. Und wie auf Schienen windet sich die AWO den Mix aus Serpentinen und langen Anstiegen dem Gipfel entgegen. Und ich hatte nie den Eindruck, ihr gehe die Luft aus. Dann, am Col de Ouano waren die 2910m laut offizieller Kartierung geschafft. Höher gehts auf Straße in Marokko nicht. Jetzt geht aber dann doch die Luft aus. Nämlich mir, beim Versuch den kleinen Hügel rechts der Straße zu besteigen, um einen besseren Panoramablick zu erhaschen. Ich merke, daß das mit dem Sport in den letzten Wochen zu kurz gekommen ist und die Höhenmeter eher mir als der AWO Probleme bereiten. Nach dem Abstieg und nur 150km am heutigen Tag finde ich eine gemütliche Unterkunft in Agoudal. Und nicht nur das. Ein Ehepaar aus Frankreich, bereits in Pension und mit einer BMW Enduro unterwegs, hat kurz vor mir eingecheckt. Und so entwickelt sich bis Mitternacht mit ihnen und dem Besitzer der Herberge eine muntere Konversation, trotz aller Sprachbarrieren.


















