22/8 Good Morning Scotland

Was für eine stürmische Nacht! Ich bin im Nachhinein ganz glücklich, mein Zelt gestern Abend nicht aufgeschlagen zu haben. An Schlaf wäre nicht zu denken gewesen. Meine Kabine war warm und sicher, trotzdem bin ich unter dem Geächze ein paar mal wach geworden. Nun, am Morgen stelle ich fest, daß Nase und Hals belegt sind. Eine Vorbote von Männerschnupfen? Den Regen muß ich noch bis 9 ausstehen, dann hellt es schlagartig auf und der Wind lässt spürbar nach. Ziel ist heute die Fähre von Aberdeen zu den Shetland-Inseln.

Bei Sonnenschein begebe ich mich wenige Kilometer hinterm Campingplatz auf schottisches Hoheitsgebiet. Den Grenzstein haben die Engländer aber besser hinbekommen, als die Schotten mit so einer profanen Plastetafel.

Bin ich jetzt schon in den Highlands? Keine Ahnung, ist auch so alles sehr schön hier. Wieder suche ich mir kleinste Straßen und genieße bei Sonnenschein die Gegend. Irgendwo ist Platz für ein Picknick am Wegesrand, nicht ganz wie bei den Gebrüder Strugazki¹. Der Kaffee ist schnell gemacht und ich strecke den Hintern der Sonne entgegen. Ich stöbere im Handy, um noch mal die Check in-Zeit zu prüfen, und in dem Moment fährt ein Zug mit dröhnendem Signalhorn durch mein Kopf! Verdammt, Check in 15 Uhr, nicht 17 Uhr! Ich schütte mein Kaffee ins Gras und packe in Panik alles zusammen. Das Navi gecheckt: ohne Pause 15.05 Uhr. Das wird nix, weil ich noch mindestens einmal tanken muß und noch 235km vor mir liegen bis Aberdeen. Nützt jetzt alles nichts. Die nächsten 3 Stunden läuft die AWO an der Leistungsgrenze. Wobei mein Vorteil im starken Rückenwind liegt. Nach meinem Tankstopp sagt das Navi 15.20. Dann noch 20km bis Aberdeen, das Kind in meinem Armen … ach nee, war ein anderer Reiter. Was braucht es, wenn die Zeit ohnehin schon knapp wird? Richtig, Umleitung. Ich dreh am Sender! Als ich ankomme, ist es 15.30 Uhr. Scheinbar wartet man schon auf mich. Zu den anderen Motorrädern komme ich nicht mehr und parke und verzurre die Maschine gleich hinter der Ladeluke. Ich mache meinen Liegesessel ausfindig und dann schnurstracks in die Kantine. Das Schiff wackelt bereits anständig, als es die Hafenmole hinter sich lässt. Kann ja ne lustige Überfahrt werden.

Total distance: 325551 m

¹Die Gebrüder Strugazki lieferten mit dem Kurzroman „Picknick am Wegesrand“ die Vorlage zu Tarkowskis „Stalker“, einen meiner Lieblingsfilme.

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