23/8 Nichts als Shetland

Fangen wir mit dem schlechten an: Liegesessel ist Blödsinn für die Nacht. Auf der Rückfahrt haue ich mich gleich auf den Boden, da kannste dann auch mal die Beine strecken oder auf der Seite liegen. Wer 8 Stunden auf dem Rücken liegen kann mit leicht gebeugten Hüft- und Kniegelenken, ist entweder tot oder leidet an einer Krankheit. Oder schaut alle Folgen „Dallas“, was wiederum eine Krankheit impliziert.

Ich verlier mich schon wieder in Nichtigkeiten, dabei war heute eigentlich alles außergewöhnlich. Die aufgehende Sonne lacht übern Meer durchs Kabinenfenster. Das weckt die Lebensgeister und ich peile das Frühstücksbüfett an. Etwas sehr spät schreibe ich nun Colin von den Motorradfreunden auf den Shetlands an, mit dem ich schon im Vorfeld Kontakt aufgenommen habe. Zu meiner Überraschung meldet er Empfangsbereitschaft am Fährterminal. Und tatsächlich steht er an der Seite und winkt mich heran. Fehlt nur noch das Fähnchen, wie bei Egon Olsen. Wir freuen uns, daß wir uns freuen und schnacken beide über Motorräder und die Sehenswürdigkeiten der Insel. Vor allem aber, daß es vor einer Stunde noch geschüttet hat, nun aber bis morgen die Sonne scheinen wird. Von den erhofften alten englischen Motorrädern gibt es stehenden Fußes leider nichts zu sehen. Die Maschinen stehen oftmals zu Hause und die Leute müßen schließlich noch arbeiten oder machen Ferien. Gleichwohl gibt es aber in Tingwall einen Privatsammler, der unter anderem einen Messerschmitt Kabinenroller im Garten zu stehen hat. Der Typ scheint auch ein echter Kauz zu sein, wenn ich das mit meinem broken english richtig verstanden habe. Na jedenfalls sollte ich bei diesem Samstag Vormittag mal mein Glück probieren. Derweil gibt es noch einige schöne Ecken auf den Shetlands zu sehen. Ich habe Mühe, Colin zu folgen, was er mir alles zeigt. Wir verabschieden uns und ich verspreche, ihrem Oldtimerclub beizutreten. Der Beitrag ist jährlich im einstelligen Bereich zu entrichten und regelmäßiges Erscheinen ist nicht Pflicht. Es sind schließlich auch schon Mitglieder aus Amerika dabei. Wir verabschieden uns herzlichst und versprechen in Verbindung zu bleiben.

Mal so am Rande: wenn man sich herzlich begrüßt, bringt man zum Ausdruck, daß man sich freut, sich zu sehen. Wenn man sich herzlich verabschiedet … ? Ich schweife schon wieder ab.

Auf gehts zum Sumburgh Head Lighthouse, also zum südlichsten Punkt Shetlands. Am Leuchtturm angekommen, kommen sofort Erinnerungen vom letzten Jahr am Leuchtfeuer von Lindesnes auf. Ähnliches Ambiente. Zusammen mit den sonnendurchfluteten landschaftlichen Reizen werde ich etwas sentimental. Mit Bernde¹ konversatiere ich darüber kurz miteinander. Nach einem kleinen Technikmuseum gibts noch Kaffee und Kuchen, und dann baldowere ich im Zickzack über die Insel gen Norden. Ich genieße die Aussicht vom Ward of Scousburgh mit seinen 263m, erspähe Seelöwen und erfreue mich an der Küstenformation und dem Blick übers Meer. In der Ferne entdecke ich die Insel Foula, die aber noch zu den Shetlands gehört. Last, but not least, das Castle Scalloway entdeckt. Der Nachmittag schreitet voran und es zieht mich zu meiner Herberge, dem Brae Hotel. Warum nicht Camping bei dem Wetter? Ich fühle mich angeschlagen und angesichts des Wetters habe ich gestern bereits nach festen und bezahlbaren Unterkünften Ausschau gehalten. Das mit bezahlbar ist ein ganz schwieriges Thema, selbst unter der Prämisse, daß Spaß bekanntlich kostet. In dem Fall 134 Öcken. Als jedoch das Wort Badewanne im Angebot auftauchte, begann mein Finger wüst auf Kaufen zu klicken. Nun stehe ich also vor der Herberge und komm nicht rein. Weil, da gerade ein schweizer Endurist am Absatteln ist und wir kommen sofort ins Gespräch. Wir sind uns heute morgen schon flüchtig am Leuchtturm begegnet. Überhaupt ist das Motorradaufkommen auf der Insel mehr als überschaubar. Ziehe ich die Einheimischen ab, bleibt mir eine Hand, um alle zu zählen. Das hätte ich nicht erwartet. Auch wenn ich jetzt vielleicht übertreibe, aber der andere Biker außer mir auf der Insel ist der Schweizer, der im selben Hotel eincheckt. Auch keine Kunst, da es das günstigste auf der Insel ist. Nun denn, mein Schweizer begibt sich auf sein Zimmer, und ich denke auch, Zeit zum einchecken. Aber ich komme wieder nicht rein. Abermals biegt ein Schweizer um die Ecke und bekundet sein Wohlgefallen an der AWO. Auch er Biker, aber per pedes. So irgendwie mal von Gibraltar zum Nordkap, und nun auf die Shetlands. Da legts dich nieder. Im dritten Anlauf schaffe ich es endlich auf mein Zimmer, und auf direktem Weg, ohne über Los zu gehen, gehts direkt in die Badewanne. Anschließend Abendbrot im Hotel, und dann doch noch mal kurz aufs Bike gesetzt und einen Platz zum Sonne untergehen gucken. Doch erst erklimme ich den falschen Hügel und unterschätze die Weitläufigkeit im Gelände, und im zweiten Anlauf sehe ich zwar das Geschehen am Horizont, aber eine zweite Wolkenformation vermasselt mir das Bild. Die Sonne war auf gutem Wege zwischen Horizont und einer dicken Regenwolke, was wirklich ein schönes Schauspiel geworden wäre, aber dann ging leider das Licht aus. Naturschauspiel gibts halt nicht auf Knöpfchendruck. Wieder im Hotel entdecke ich den schweizer Pedalisten an der Bar und wir schnacken bei einem, na gut, zwei Glas schottischem Whisky über das Reisen und die Menschen. Gegen halb 12 verschwinde ich im Bett mit der Gewissheit, daß dies ein verdammt genialer Tag war.

¹ Für den neutralen Leser, Bernde ist die Inspiration für mich gewesen, das Wagnis Nordkap auf mich zu nehmen. Er war schon einige Jahre vor mir am Klettergerüst mit seinem AWO-Gespann.

Total distance: 172102 m

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