Die Sonne wärmt das Zelt. Ich pelze mich aus dem Schlafsack, mach mir nen Kaffee, Kamera in die Hand, und ab gehts zum Strand. So ganz kommt das immer noch nicht bei mir an, daß ich auf den Hebriden den Sandstrand lang spaziere, und es wieder mal mit der AWO in eine der abgelegensten Ecken Europas geschafft habe. Viel Zeit bleibt nicht zum Genießen, hinter den Dünen kündigen sich dunkle Wolken an. Gemütlich ist jetzt vorbei, jetzt gilt es im Eiltempo zu packen, solang es trocken ist. Fast alles ist verpackt, aber es fehlen mir vielleicht 3 Minuten, um noch das Außenzelt trocken zu verstauen. Dann sitze ich am überdachten Toilettenhäuschen die erste halbe Stunde Regen aus und plane meine Tagesroute, wobei das Ziel schon feststeht, da ich beim gestrigen Ticketkauf gleich die Fahrt auf Skye mitgebucht habe. Wettervorhersage sagt heute, Regen satt. Und ich denke, Sch… drauf. Station 1: Robbenstation und Leuchtturm im Norden, Station 2: irgendein historisches Dorf im Süden. Das sollte passen, um pünktlich am Nachmittag an der Fähre zu sein. Mit genug Zeit im Rücken bummle ich mit 50 über das kahle Land der Insel, summe Scarborough Fair vor mich hin und finde sogar den Regen schön. Am Leuchtturm angekommen, scheint die Robbenstation ein Fantasiegebilde meiner Navisoftware zu sein. Die Klippe am Leuchtturm ist dafür um so schöner. Weiter Richtung Süden ein kurzer Tankstopp mit Kaffee. Der ist nötig, denn die Nässe findet langsam jede Ritze in die Klamotten. Am Museumsdorf angekommen, schaue ich mir das nur kurz von außen an. Ich bin froh, die Regenklamotten anzuhaben und zieh die nicht aus. Nicht mal den Helm setz ich ab. Das Fotografieren wird nun echt zum Problem, da ich bei jedem Handschuhaus- und anziehen Nässe mit ins Innere bringe. Und wer schon mal mit nassen Händen versucht hat, Handschuhe anzuziehen, der weiß, daß das eine echt streßige Situation werden kann. Weiter Richtung Tabert Ferry Terminal werde ich von einer Gebirgskette auf der Isle of Harris überrascht, mit der ich in dieser Dimension nicht gerechnet habe. Am Sgaoth Àird, der höchste Berg der Insel mit 559m, windet sich die Straße im Norwegenfeeling in die Höhe. Der Regen nimmt mit jeden Höhenmeter zu, aber ich halt trotzdem an, um wenigstens kurz einen Schnappschuß einzufangen. Ich hoffe, daß die Kamera wenigstens halbwegs wasserresistent ist. Beim Auf und Ab durch die Berge klimatisiert der Helm nicht mehr so schnell und beschlägt von innen. Am Ausgang der Bergkette liegt der Fährhafen. Ich werde ganz nach vorn gewunken und nutze die Gelegenheit, mich im Baucontainer der Hafenarbeiter unterzustellen. Erst jetzt realisiere ich, daß ich an einigen Stellen ziemlich voll gelaufen bin. Vor allem den rechten Stiefel hab ich wohl nicht richtig geschnürt und die Socke ist spürbar nass und der Fuß kalt. Irgendwie schade, der Tag hat so gut angefangen und muß ich schauen, die Nässe raus zu bekommen und wieder auf Temperatur zu kommen. 2 Stunden auf der Fähre sollten eine gute Gelegenheit dazu sein. Als sie anlegt, bin ich der erste an Board. Doch je weiter ich dem Bug entgegen fahre, um so mehr fällt mir die Kinnlade herunter und ich werd weinerlich. Unglaublich, das Schiff ist vorne offen und nicht geschlossen. Alles ist weiter dem Wetter ausgesetzt und meine Hoffnung, schnell mal im Gepäck nach trockene Socken wühlen zu können, bekommt grad einen herben Dämpfer. Und der Ärger geht erst los. Kamerad „Ich spann hier die Fahrzeuge fest“ erteile ich eine klare Absage. Mein Seitenständer hat schon ziemlich gelitten wegen Leuten, die es gut meinten mit dem festzurren. Es gibt ein kurzes Wortgefecht und ein Kollege zieht den Chef-Anzurrer weg und lässt mich machen. Ich zurre die AWO beidseitig und gerade stehend an, ohne Seitenständer, wie man das auch auf Transportern macht. „Gugge, so muß das sein!“ sag ich. Die Worte versteht er wohl nicht, hoffentlich aber das Prinzip, wie man Motorräder sichert. So, nun noch die Socken rausgekramt, im Boardimbiss Makkaroni bestellt, und mit dicken warmen Socken, die Füße schön auf dem Nachbarstuhl, die zurückkehrende Wärme genossen. Und kaum zu glauben, kurz nach Ablegen kommt sogar die Sonne raus. Irgendwann döse ich weg und wache kurz vor Uig wieder auf. Da ist sie also, Skye, die Schönste unter den schottischen Inseln. Und wohl wahr, bereits hier breitet sich ein gewisses Flair aus. Da macht man kurz die Augen zu und schwupp, ist man in einer anderen Welt. Die Schroffheit der Shetlands, Highlands und Hebriden ist auf einmal wie weggeblasen und Skye zeigt sich wie eine Grazie. Naja, zumindest ist sie aus einem anderen Holz, Fels, oder wie auch immer geschnitzt. Glenbrittle Campsite am Loch Brittle ist mein Ziel. Nach wenigen Kilometern Hauptstraße gehts über schöne kleine Nebenstraßen über und durch Skye, hoch und runter im Schlengellinienformat dem Ziel entgegen. Die Abendsonne zaubert entzückende Lichtspiele in die Berge und ich hab nun weniger Mühe mit all den Fotografenstopps. Mit bebendem Herz und erwachter Lebensfreude nach diesem verregnetem Tag erreiche ich den Campground – und fall vom Glauben ab. Nix romantisch, nix gemütlich. Wie auf einer großen Schafweide hunderte von Camper, keine Struktur zu erkennen. Irgendwo muß die Rezeption sein. Als ich sie finde, steht eines fest: nur weg hier! Alternativen werden gesucht, die Dämmerung lässt noch Spielraum, andere Plätze zu finden. So fange ich an zu grasen, und mit zunehmender Dunkelheit wird diese eine Frage immer größer: wo werde ich ein Schlafquartier finden? Alles ausgebucht. Ich hab da wohl einen strategischen Fehler gemacht. Es gibt noch einige Wildcampingplätze, die aber aufgrund der Dunkelheit kaum aufzufinden sind. Oder besser gesagt, ich könnte vom rechten Wege abkommen. Die allerletzte Möglichkeit ist – nanu, wasn das? In großen Lettern steht ein mir wohl bekanntes und mit Genussfreuden verbundenes Wort an der Wand eines großen weißen Gebäudes: TALISKER. Jo mei, das hatte ich nicht auf dem Plan. Nur wenige Meter weiter nun also meine letzte Chance, das Old Inn. Da, ein Zimmer frei, 4 Betten. Aber nicht für mich allein, sondern als Schlafsaal gedacht. Mit wildfremden Leuten also, aber auch mit warmer Dusche. Willste das? Die warme Dusche und die kalte dunkle Nacht lässt mich auf „Buchen“ klicken. Also nei huppe, duschen, und ab an die Bar. Livemucke, 10er Talisker, Skye Red, Tamara, so in der Reihenfolge verläuft grob der Abend. Livemukke ist gut, weil live immer gut ist. Den Talisker hab ich mir verdient, das Red-Bier machte mich neugierig, und Tamara traf ich an der Bar und bekam ihre Herkunft aus Franken mit. Wir haben festgestellt, daß wir den selben Draht zum Reisen haben. Nur sie mit nem T5- Bully, selbst ausgebaut, und allein unterwegs. Und ähnlich wie ich, war sie es irgendwann Leid, auf Freunde zu warten und ewig Kompromisse einzugehen. Einfach los, niemand mehr fragen und ab ins Abenteuer. Die Rausschmeißglocke hat dann einem schönen schottischen Abend das Ende geläutet. Leider hört die Geschichte hier nicht auf, und auf Freude folgt … ein 4-Bett-Zimmer mit 3 Frauen und Steppi mittendrin. Moment, bevor jetzt einige vom Paradies halluzinieren, 2 sehr, ich betone ’sehr‘, übergewichtige Mitbewohnerinnen hätten beim Waldsägen so manche männliche Schnarchnasen in den Schatten gestellt. Ein Königreich für eine Tüte Schlaf …

Simon & Garfunkel – Scarborough Fair
Total distance: 332085 m

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