Tag 24 (17/6): Blackout II

Nach unruhigem Schlaf brauchte ich nicht mal den Wecker. Kurz vor 4 blinzelte ich auf die Uhr. Ok, raus aus den Federn. Heute wird ausgelöffelt, was ich mir gestern eingebrockt habe. Ich schleiche mich auf Zehenspitzen zur Rezeption, tausche Schlüssel gegen Launchpaket und rolle mit der AWO ohne Zündung ein Stück den Weg hinunter, um nicht alle Gäste gleich aus dem Schlaf zu scheuchen, wenn ich die Mopete starte. Von nun an wird mir stehts das ungute Gefühl im Nacken sitzen, wie weit ich es ohne Kennzeichen überhaupt schaffen werde. Vielleicht erreiche ich die Fähre nicht mal ansatzweise und stehe stattdessen mit der norwegischen Polizei in der Pampa mit stillgelegtem Motorrad. So lang dies aber nicht passiert, gilt Augen zu und durch. Vielleicht ist mir das Glück holt und ich schaffe es wenigstens bis Dänemark rüber. Von da aus wären Rettungsaktionen etwas leichter zu bewerkstelligen. Die Sonne steht bereits in den frühen Morgenstunden über dem Horizont und es verspricht ein schöner Tag zu werden. Als ich die Gegend um Oslo erreiche, wird es sogar langsam warm. Wenn jetzt die Sache mit dem Kennzeichen nicht wäre, hätte das eine entspannte Fahrt werden können. Auch vom Zeitplan her lag ich voll im Limit und mußte mir keine Sorgen machen. Etwa 100km vor Kristiansand ein letzter Tankstop und Kaffeepause, ein kurzer Plausch mit einheimischen Bikern und der gemeinsamen Erkenntnis, daß es sich heute mal wie Sommer anfühlt. Alles läuft bis hier her. Kurz danach trübt es sich dann doch wieder ein und ich habe wieder zunehmend mit Gegenwind zu kämpfen. Dann mit einmal Zündaussetzer. Mehr, und mehr, und aus die Maus. Standstreifen gibt es nicht auf der E18, also halb ins abschüssige Gras gerollt. Jetzt ruhig Blut! Die Stromversorgung ist zusammen gebrochen. Sicher nur ein Wackelkontakt oder Kabel durchgeschuffelt. Für genau solche Sachen habe ich den Zeitpuffer eingebaut. Seitendeckel auf und Kabel gecheckt. Dafür muß auch die Batterie raus. Und die fühlt sich mehr als warm an. Garnicht gut. Kurzer Test mittels Kurzschlußverfahren, da funkt nicht mal mehr was. Die ist mausetot! Ich muß kräftig schlucken. Meine Vape-Lichtmaschine braucht einen Puffer. Irgendeine kleine Batterie, sogar ein Kondensator würde gehen. Ersatzbatterie schleppt man aus Gewichtsgründen nicht mit. Und einen Kondensator hatte ich mal im Ersatzteilköfferchen, aber wegen jahrelangem Nichtnutzen mal wieder aussortiert. Der wäre jetzt Gold wert. Jetzt cool bleiben, ADAC-Notruf absetzen und beten, daß es irgendwie Rettung gibt. Nur wer hat schon einen kleinen Gelakku, der in einen AWO-Seitenkasten passt, Geschweige denn einen Kondensator als norwegischer Kfz-Rettungsdienst rumliegen? Nach 10 Minuten ein Rückruf eines Kollegen, der halbwegs deutsch kann. Habe ihm bestmöglich erklärt, daß er sich um das Fabrikat mal keine Sorgen machen muß, da er es sowieso nicht kennen und auch in keiner Datenbank finden wird. Stattdessen mach ich ihm klar, ein Akku mit 12 Volt und nicht größer als mit den und den Abmaßen. Er tat sich anfangs schwer, weil er wohl nicht recht glauben mochte, daß die Batterie keinen Starter antreiben muß, sondern einfach nur 12 Volt liefern muß, und sei sie von der Leistung her noch so popelig. Er sagte, er wühle rum und hält gerade einen Gelakku mit 5Ah in der Hand. „Bring mit!“ brülle ich fast ins Telefon und möchte fast noch sagen „Und das ganze pronto, ich muß meine Fähre schaffen!“. Das verkneife ich mir dann aber doch. 20 Minuten später hält der Abschleppwagen neben mir. Der Fahrer steigt aus, öffnet die Beifahrertür und hält mir den Akku vor die Nase. Ich möchte ihn küssen, reiße ihm den Akku aus der Hand, und beginne sofort mit dem Einbau. Ruckzuck ist alles zusammen und das Mopet läuft wieder. Er versucht nun noch per Telefon zu klären, welche Kosten der Club trägt und was die Batterie eigentlich kosten soll. Er glaubt wohl so um die 50€. Die drücke ich ihm bar in die Hand und hab sofort Helm auf und Handschuhe an und will weiter. Er guckt kurz irritiert und akzeptiert dann aber relativ schnell. Ich packe ihn bei den Schultern und wünsche ihm freudestrahlend „Tusen Takk!“ und düse los. Der Zeitpuffer ist dahin, von jetzt an darf nichts mehr schief gehen. Ok, aber was fehlt noch, damit es auch blos nicht rund läuft? Richtig, Regen! Der wird 20km vor Kristiansand so stark, daß ich gezwungen bin, so kurz vor dem Ziel doch noch mal anzuhalten, um die Regenklamotten überzuziehen. Ich habe in diesem Moment das Wetter echt gefressen. Wäre das Wetter eine juristische Person … keine Bewährungsstrafe … geschlossener Vollzug …
Ich erreiche dennoch pünktlich den Hafen. Jetzt noch ohne Fragen nach dem Kennzeichen auf die Fähre kommen, und ich habe das Gröbste hinter mir. Auch das gelingt, und nach dem Festzurren des Gefährts hinauf ans Deck und im Sessel eingeschlafen. Nach etwa der Hälfte der Fahrt wache ich auf, weils doch irgendwie unbequem ist. Ich sammle mich kurz und mach einen Abstecher in den Duty-free-Shop. Etwas Nervennahrung für mich und die Freunde in Eckernförde, wo ich mich übers Wochenende einnisten werde. Das Angebot an Whisky und Rum ist sehr überschaubar, werde aber dennoch mit einer Flasche Tamnavulin fündig, der mir bisher noch nicht über den Weg gelaufen. In Dänemark angekommen, verlasse ich dann problemlos das Fährterminal. Dafür erwartet mich dann die nächsten 3 Stunden Sudküche vom Feinsten. Ich hab die Faxen echt dicke. Stoisch nehme ich auch dies noch hin. Es ist eine Mischung aus lachen und heulen, Resignation und Wut. Doch ändern lässt sich all dies nicht, selbst wenn ich anfange, um mein Motorrad zu tanzen. Mich erreicht dafür die Nachricht, daß im heimischen Sachsen die Temperaturen am Wochenende auf über 30°C ansteigen sollen. Mir ist hingegen auf den letzten Kilometern – inzwischen auch unter den Regenklamotten recht klamm – nach einer heißen Wanne zumute. Gegen 23 Uhr erreiche ich mein Ziel. Die Prioritäten werden wie folgt abgearbeitet:
1. Whisky verkosten, feines Tröpfchen, alles richtig gemacht
2. Heisse Dusche. Ok, keine Wanne, aber trotzdem eine Wohltat!
3. Bett und weg!

Total distance: 1035.88 km

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