Tag 27 (20/6): Wieder am Anfang – oder was am Ende übrig blieb

Regen klopft ans Fenster. Du kannst mich mal, denke ich und krieche aus dem Bett. Ich schlürfe durchs Bad, danach in die Küche. Nach dem morgendlichen Ritualen wird eine Regenpause dazu genutzt, die AWO ein letztes mal zu bepacken. Ich schlüpfe, wie so oft, gleich in die Regenklamotten und schleiche von Dannen. Über kleine Straßen hinten rum, um Stau und Aufmerksamkeit ohne Kennzeichen in Eckernförde zu vermeiden. Dennoch glaube ich, daß jetzt des riskanteste Stück für mich kommt. Über 500km sind noch mal ein mächtiges Brett, die möchte ich nicht nur über Nebenstraßen abbummeln. Zumal ich meine physischen Grenzen nach der Reise spüre und so schnell wie möglich daheim ankommen will. Damit setze ich mich der Gefahr aus, auf der letzten Etappe doch noch von der Polizei erwischt zu werden, die ja in Deutschland gern auf Parkplätzen und Autobahnzufahrten mit ihren Bullis einfach so am Rand steht und lauert. Ein so langsames und morbides Fahrzeug ohne Kennzeichen ist da sicher eingefundenes Fressen. Und so rolle ich halb getrieben und zähle die Kilometer runter, wie nie zuvor. Anfangs nur die hunderter, die ich schaffe, dann alle 10km, die weniger werden zum Ziel. Ab 20km werde ich schon ziemlich hippelig. Die Augen tanzen nur noch vom Tacho zum Rückspiegel, mal rechts und links, den Straßenrand abchecken, und wieder zurück zum Tacho. Dann endlich Borsdorf. Ich habs geschafft! Gute 1500km ohne Kennzeichen durch 3 Länder. Falls das je hier je ein Polizist liest, meine beiden Mittelfinger sind in dem Moment – metaphorisch – stark erigiert. Ich steige mit einem schmerzverzerrtem Lächeln ab und denke: nie wieder AWO! Diese Woche!

Was bleibt als Fazit? Definitv war es einmal Regen zu viel. Sicher, die Klamotten waren gut und haben fast alles abgehalten. Kein Tropfen in den Schuhen und für die Hände gabs Lenkerstulpen und Neopren. Aber was nützt das, wenn man von der Prächtigkeit der skandinavischen Natur dann kaum etwas sieht. Der kalte Wind im hohen Norden hat dann noch sein Übriges getan und mir zum wiederholten male eine Erkältung eingebrockt. Leider ist das Risiko für solch ein Wetter in Skandinavien relativ hoch. Pech, wenn es in 3 Wochen sich nicht wenigstens ab und zu sommerlich, oder wenigstens frühlingshaft gibt. Für viele Reisende wäre das sicher nichts, und ich wüßte nach der Tour ehrlich gesagt auch nicht, wen ich von so etwas überzeugen könnte. Mich wird es trotzdem wieder in den Norden ziehen. Ob mit AWO? Lass ich mal dahin gestellt.
Mückenplage in Skandinavien. Nein, hatte keine gehabt. Ein Platz in Finnland war morgens etwas stressig, aber Plage? Da habe ich im Fernsehen schon ganz andere Sachen gesehen.

Die AWO? Gefühlt habe ich auch hier einmal zu oft schrauben müssen. Für manche Sachen bin ich selbst verantwortlich, anderes ist Pech, beziehungsweise dem Alter der Maschine und der geleisteten Kilometer geschuldet. Die Vorbereitungen waren dieses Jahr leider nicht optimal, und sowas rächt sich nun mal auf mehreren tausenden Kilometern. Und ständig das Gefühl, ich kann fahren wohin ich will, der Gegenwind wird immer mit mir sein. Teilweise war ich so langsam, daß ich nicht mal im Windschatten den Lkws folgen konnte. Ich kauf mir trotzdem keine BMW GS! Obwohl, wenns gar zu langsam lief, nagte immer wieder ein Gedanke in mir: wo und wann mache ich die nächste Probefahrt mit einer dieser Royal Enfields.

Pannen und Problemchen. Gleich zu Anfang der Motor mit Laufspuren im Zylinder. Ohne entsprechendes Material im heimischen Keller hätte die Reise fast garnicht begonnen. Es gibt bekanntlich Leute, die kennen das von mir und zucken nur noch mit den Schultern, wenn ich zur Abreise noch mal schnell den Motor wechsle. Die ersten Kilomter in Finnland hätte ich fast mein Spiegelglas verloren, da ein Stück des Käder verlustig ging. Eine Tube Pattex und ein Stück Holz ähnlicher Form löste das Problem. Nicht ganz, denn kurz danach ging auch die Federspannkraft im Spiegelgehäuse verloren, so daß der Spiegel wie ein Lämmerschwanz am Arm hing. Ich hätte den Spiegel wieder vom Kleber befreien müßen, um da ran zu kommen. Ich hab das vor mir her geschoben und wollte es an einem Ruhetag machen. Zu Hause habe ich jetzt einige Ruhetage.
Mein auf Dauer leidigstes Problem konnte ich während meiner ganzen Reise nicht abstellen und finde ich auch richtig Scheiße. Sorry, aber genau das ist es. Der Zylinderfuß war einfach nicht dicht zu bekommen, trotz Einsatz eines neuen Dichtsatzes in Nordfinnland. Mir ist das nicht egal, wenn die Mopete so rumsüfft. Macht abgesehen von der Umwelt auch einen schlechten Eindruck überall.
Die Reifengeschichte. Ich warte heute noch auf den Anruf vom Reifenservice in Finnland. Was vor 3 Jahren richtig top lief – an einem Tag bestellt, am nächsten war er da – lief diesmal leider überhaupt nicht. Trotz Vorbestellung von der Heimat aus. Im Wissen, daß es mit den Reifen bezüglich Abnutzung und Wiederbeschaffung im hohen Norden sehr bescheiden ausschaut. Schön, daß es in Trondheim viel besser geklappt hat. Eine Stunde später, nach dem ich das Lokal betreten habe, war der Reifen da. Noch mal 1,5 Stunden später war die AWO neu besohlt. Der Preis dafür war leider heiß und hat sich in der Urlaubskasse mehr als bemerkbar gemacht.
Kein Licht mehr in Å auf den Lofoten. Die Fassung der H4-Lampe gibt den Geist auf und die Metallstreifen verlieren ihre Federkraft. Dadurch bedingt ergibt sich ein Kontaktproblem, was schon zu leichten Verschmorungen geführt hat. Kostet ein bißchen Bastelei, dann geht wieder alles.
Mein Lampenschirm, welcher ohnehin schon seit Jahren lediert ist, reist immer weiter ein. Ich nehme es hin, was will ich auch machen. Solang das Vibrieren mir nicht zu sehr den Nerv raubt.
Tja, dann die Geschichte mit dem Nummernschild. Wie weit ist eigentlich die Reichweite eines AWO-Kennzeichens? Jetzt, wo ich wieder zu Hause bin und froh bin, daß ich „nur“ die Gebühr eines neuen Schildes tragen muß, rede ich mir ein, die Reichweite muß subjektiv gefühlt groß sein. Gemessen an meinen gefahren Kilometern.
Die Reichweite eines Gel-Akkus, naja, ist subjektiv auch groß. Und trotzdem habe ich den Eindruck, ich muß so ein Teil zu oft ersetzen. Dumm, wenn es dann ausgerechnet auf großer Fahrt passiert. Noch dümmer, wenn man die Rettung in Form eines kleinen Kondensator erst kurz zuvor aus der Ersatzteilsammlung wieder aussortiert. Hat man weder einen Akku noch einen Kondensator zur Hand, dann bleibt so ein Maschinchen mit moderner Lichtmaschine und Elektronikzündung mal ganz schnell dunkel und stumm. Der Kondensator wird für mich in Zukunft so etwas, wie für andere der Ersatzzündmagnet. Nur viel kleiner und leichter.
Wäre noch das Speichen- und Mitnehmerproblem, entdeckt auf der vorletzten Etappe. Die Diagnose wird irgendwann in der Werkstatt in den nächsten Tagen folgen. Am Ende der Reise bin ich zu müde für Gedankenspielchen.

In Summe macht das 12 mehr oder weniger gravierende Probleme, die zum Glück nicht zum Abbruch der Reise geführt haben. Ich konnte mit dem Nordkap abrechnen und beweisen, daß ich das auch ohne Motorschaden kann. Dies war, wenn man so will, der Pflichtteil der Reise. Die Kür war viel mehr Skandinavien an sich. Egal, ob die endlosen Weiten Lapplands, die schroffe Schönheit Senjas und der Lofoten, die Fjorde im Westen oder die Hochebene des Jotunheimen Nationalparks. Kein Regen der Welt kann dieser provozierenden Naturschönheit einen Abbruch tun. Ich muß es am Ende auch positiv sehen: es hätte auch schneien können!

Gilt wie immer am Ende all denen zu danken, die die Reise letzten Endes unterstütz und ermöglich haben. Lutz und Raik, wie immer für Werkstatt und Fach- und Sachsupport. Katrin, Frank und Jo für die Unterstützung in Biesenthal. Katrin und Volker für die Unterstützung in Eckernförde. Bernde für das Mentale. Micha und Anne, die kurzzeitige Reisebegleitung auf den Lofoten. Den am Ende unbekannten Leuten in Finnland und Norwegen für die Unterstüzung und Problemfindungen. Allen, die sonst irgendwie die Daumen gedrückt haben aus dem Freundes- und Bekanntenkreis.
Last but not least – Mama!

Total distance: 536.41 km
Total distance: 8291.23 km

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