Spass kostet! Und heute zahle ich wohl den Tribut. Die gestrige Tour über den Gletscher war zwar phänomenal, kostet mich aber wohl ein paar Tage Erholung. Abgesehen von den müden Knochen zahle ich mal wieder (das 4. Jahr in Folge im Urlaub!) den Preis für falsche Kleidung. Wat is? Der Hals kratzt, und ich befürchte, spätestens heute Abend ist dieser dick und die Nase zu. Mama sagte früher immer, wenns kalt draußen ist, dann zieh verflixt noch mal ein Unterhemd an. Ja ja … Ok, also ich hab mich diesmal wirklich warm angezogen. Angesagt laut Wetterdienst Yr waren morgens -2, mittags dann +2 Grad auf dem Gletscher. Und als Frostbeule muß ich da nicht lange überlegen. Beim Anlegen der Ausrüstung wurde ich auch schon komisch vom Guide angeschaut. Er murmelte auch irgendwas, vielleicht „du wirsd schon sehen, was du davon hast“ oder so. Naja, dann gings 2 Stunden hoch und ich kam natürlich ins Schwitzen. Nur mit dem ganzen Klatteradatsch am Leib kommst du auch mal so eben nicht aus deinen Klamotten raus. So saß ich dann zum Launch mit nassen Klamotten eine halbe Stunde so rum und guckte ins Tal und über die Wolken und ahnte schon, ob der Schuß wohl nicht nach hinten los gehen wird. Ein Tag später, jupp, geht er!
Es steht die Überfahrt über die Hardangervidda Richtung Schweden an. Europas größte Hochebene um die 1200 bis 1400 Meter hoch, und im Gegensatz zu 2017 diesmal ziemlich mild und schneefrei. Beeindruckend war es trotzdem wieder. Gleich am Anfang biege ich noch kurz zum Vøringsfossen ab. Ein weiteres Highlight in Sachen Naturschauspiel. Allerdings stimmt hier das mit der Natur nicht mehr ganz. Der Zufluß oberhalb wird für die Stromgewinnung genutzt und reguliert. Und extra für den Tourismus wird in der Zeit von Anfang Juni bis Mitte September der Durchfluß erhöht. Ich verlasse die Hardangervidda und treibe weiter Richtung Oslo. Schweden möchte ich aber oberhalb Oslos erreichen. Die Natur strotzt jetzt nicht mit mehr mit Superlativen, ist aber immer noch was fürs Auge. Je näher man Schweden kommt, desto mehr verlaufen die Berge sanfter und man kann weithin sichtbar die scheinbar endlosen Wälder beobachten, die für Schweden so typisch sind. Für Norwegen sicher auch, aber da fallen auf Anhieb ja zuerst immer die Fjorde ein. Und Trolle, die auf Fellszungen rum tanzen. Gegen Abend wird es noch mal spannend, als mein Navi mich durch immer abgelegenere Straßen schickt, die, wie sollte es anders sein, sich zum guten Waldweg mausern. Macht die 6km auch Spass, der aber schlagartig aufhört, als ich wieder auf die Hauptstraße gelange. Oder besser gesagt, nicht gelange. Es trennt mich von ihr ein Zaun, wie sie vielleicht schon jeder mal gesehen hat in bewaldeten Gebieten rechts und links an großen Haupstraßen. Mein Waldweg führt links wie rechts parallel zu Straße weiter. Ich starte links einen ersten Versuch, komme aber bald nicht weiter. Kommando zurück, und rechts probieren. Garnicht lang, und ich stehe vor einer Schranke. Nix Schranke, wo man mal drunter durch oder an der Seite vorbei schlüpft. Massive Schranke. Verflixte Sch…, den ganzen Weg zurück. Nach einer Minute sauer gucken, habe ich wieder mehr Blick für das Drumherum und fang an, das Schild mit norwegischer Sprache zu lesen. Ach, und wie schön ist es, daß es Wörter im Sprachgebrauch gibt, die irgendwie fast immer gleich klingen. Automatic! Ich fahre kurz vor die Schranke und warte ein paar Sekunden. Fasst wollte ich mich schon wieder hängen lässen, doch dann öffnete sich Sesam doch noch. Durchgeschwuppst und schauen, daß ich ein Rastplatz finde. Mir geht es, wie vermutet, inzwischen beschissen. Kann man nicht anders sagen: die nächsten Tage sind Männerschnupfen angesagt. Ich finde einen Campingplatz und scheine zunächst allein zu sein. Ich entrichte mein Obulus und baue mein Zelt direkt neben dem Küchen- und Sanitärbereich auf. In der Küche ist warm, und ich spiele mit dem Gedanken, sobald es dunkel ist, meine Matratze nach innen zu verlegen und hier drin zu pennen. Störe ja keinen, bin ja allein. Während ich meine Reiselektüre bearbeite – in der warmen Küche – reist plötzlich die Tür auf, und der Typ so „boah“, und ich so „boah“. Irgendwie hatten wir beide damit gerechnet, allein hier zu sein. Wir kamen ins Labern und spulten so das typische Programm ab. Nicht ganz, wir kamen auf Sozialsysteme zu sprechen und er war wohl ziemlich überrascht, daß das norwegische und das deutsche System nicht nur ein bißchen different sind. Er, so um die 30, machte mir aber schon einen leicht abgefahrenen Eindruck. Machte aber was, wovon er vorher im Groben über Norweger sprach, ein menschliches Angebot und lud mich in seine beheizte Hütte am anderen Ende des Zeltplatzes ein. Hätte ich sofort abgelehnt, meint Zelt stand ja schon. Aber mit dem Hals und meinem Zustand? Warmes Bett? Ich konnte nicht ablehnen. An seiner Hütte angelangt, bittet er mich kurz zu warten und schaut kurz allein rein. Scheinbar ein spontanes Kurzaufräumen, und dann darf auch ich die Hütte betreten unter der Bemerkung, er halte nicht ganz Ordnung, wenn seine Eltern nicht auch ein paar Tage hier sind. Die Ordnung juckte mich überhaupt nicht. Aber das weiße Zeug am Boden ließ mich kurz erstarren. Ich sage euch, der Mann kokst! Ok, es hätte auch Salz oder Zucker sein können, aber dieser leicht verwirrte Eindruck und was und wie er erzählte ergab alles auf einmal einen Sinn. In meinem Kopf spielten sich mehrere B-Movies gleichzeitig ab. Einsamer Wanderer vom Kokser ausgeraubt, oder in der Hütte während des Schlafens eingesperrt und das Kennzeichen vom Moped geklaut, oder so ein Quatsch. Also ich sag mal, es gäbe einige, die spätestens hier gesagt hätten „och, Zelt ist auch schön“, aber mir gings dreckig und ich brauchte die Wärme. Von der Heizung! Er schlief im Voraum, und ich hinten im Schlafraum. Er ist auch noch zweimal raus, keine Ahnung, was er da noch machte. Aber das er wieder kam, bedeutete ja auch, daß er nicht mein Motorrad oder Zelt klaute, denn er war ja noch hier und nicht weg. Gute Nacht!!!

Total distance: 421 km

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