Ein dumpfer Schlag auf den Boden, ein Ast knackt, dann ist Stille. Ich schrecke hoch und schau mich um. Aus dem Tiefschlaf gerissen überlege ich, ob ich das geträumt habe oder ob wirklich was auf dem Platz vor dem Unterstand war und sich selbst erschrocken hat vor mir. Ich versuche mich zu sortieren, kann es aber nicht einordnen. Zu tief war ich im Traum, den ich natürlich zugleich vergessen habe. Die Nacht ist voller Nebel und vom Vollmond ist gerade nichts zu sehen. Ich versuche weiter zu schlafen. Immer mal wieder beim Drehen auf die andere Seite öffne ich kurz die Augen und sehe das Ufer mal klar, dann wieder in grauen Schwaden kaum erkennbar. Gegen 8 entscheide ich mich für Kaffee und Frühstück, und krieche aus meinem Schlafsack, der mir bei Temperaturen unter 10 Grad nun doch zu warm wird. Erstaunlich, daß ich überhaupt so lang ausgehalten. Schließlich bin ich aufgrund der Kälte und Feuchtigkeit gleich mit Klamotten in den Schlafsack gehuscht, was ich sonst nie mache. Bis 0 Grad kann man da rein springen, wie Gott einen schuf und muß keine Angst vor Kälte haben. Es sei denn, man zittert vorher schon, wie Espenlaub. Das Schauspiel mit Nebel und Vollmond Abends zuvor wollte ich mir aber nicht entgehen lassen. Es war schaurig schön. Zumal man ja auch immer mal was durch den Wald hat laufen hören. Schweine oder Rehe. Oder vielleicht eher Elche. Pinguine?

Man möchte meinen, des tristen Wetters wegen wäre der Aufenthalt hier am Mäen eine eher wirdrige Angelegenheit. Mit nichten. So abgelegen mitten im Wald hat dieser Ort trotz Nebel und Regen schon was Magisches. Noch dazu, wenn man allein am Ufer steht und somit die Sinne geschärfter sind und man jedes Geräusch aus dem Wald kommend versucht genau zuzuordnen. Als Freund von Musik und Film habe ich natürlich auch sofort wieder imaginäre Bilder im Kopf. „Dead Man“, ein wunderbarer Schwarz/Weiß-Spätwestern von jim Jarmusch, unterlegt mit der grungig krächzender „Old Black“ von Neil Young. So lang ich am See bin, wird mir eine Mischung aus Film und dessen Musik nicht aus dem Kopf gehen. Sicher ist das kein optimistischer Film mit happy end und die Musik tut sicher ihr Übriges. Melancholie hat mich schon immer in ihren Bann gezogen (Blade Runner, Stalker), ohne das ich dabei selbst der Schwermut zu verfalle. Wie nennet man das? Etwas down tempo und schwarz/weiß sorgt sicher für andere Wahrnehmung. Ok, Schluß mit der Randnotiz.

Ein Wermutstropfen galt es jetzt noch zu verdauen. Die Wettervorhersage sieht leider alles andere als gut aus, und was noch schwerwiegender ist, die Fähren für Donnerstag und Freitag sind ausgebucht. Nächste Rückreise wäre Samstag möglich. Das ist mir in Anbetracht des bevorstehenden Arbeitsbeginns zu streßig. Schweren Herzens entscheide ich mich für einen Kurzaufenthalt und reise heute wieder ab. Aber keine Panik. Ich mach die große Kamera startklar und schlendere noch ein Stündchen durch die nähere Umgebung, auf der Suche nach ein paar Schnappschüßen. Aber auch, um die Seele baumeln zu lassen. Genau dies ist leider viel zu kurz gekommen durch die Krankheitsunterbrechung. Dabei waren ein paar Tage Chillout an schwedischen Seen fest eingeplant und anbetracht des letzen halben Jahres auch bitter nötig gewesen. Außer einem fetten Fliegenpilz und ein paar wirre Meisen kam mir nichts nennenwertes vor die Linse. Keine Schweine, Elche oder Mammuts. Zurück am Unterstand die Klamotten gepackt und mich auf gen Süden gemacht. Je näher ich Ystad komme, um so mehr drückt die Sonne durch. Ist wohl doch noch ein bißchen Sommer übrig? 60km vor Ystad schlägt mir das Navi eine alternative Strecke vor, abweichend von der Riksväg 19, die mich eigentlich direkt zum Ziel führt. Ok, denke ich, näher an der Küste gibts bestimmt mehr fürs Auge. Kaum zu Ende gedacht, steht es auch schon da. Wie bestellt. Ein Wasserschloß, wie aus dem Bilderbuch. Es handlet sich um Vittskövle Slott in der Nähe von Degeberga. Und ich bin doppelt gerührt, denn hier stand ich bereits ziemlich genau vor 7 Jahren auf meiner ersten Schwedenreise. Damals genau so unverhofft wie heute. Leider bin ich dann ziemlich schnell wieder auf der 19 und erreiche dafür pünktlich den Fährhafen in Ystad. Ein auf Bundesbahn macht allerdings die Fähre und trudelt erst eine Stunde später im Hafen ein. Eine Stunde, die mir später am Abend bei Christian in Sassnitz bei der Fortführung unseres philosophischen Zweierquartetts fehlen wird. Wir machen, begleitet von diverser Medizin für Seele und Verdauung, trotzdem wieder bis morgens um zwei.

Total distance: 316.39 km

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