Tag 11 (4/6): Subtilität einer Eisenkugel

Kaffee, Marmelade und Brot, ein letzter Blick über den See, und dann soweit, bis es nicht mehr geht.
Am Inarisee „falsch“ abgebogen und ein geschichtliches Fragment aufgesucht. Auf dem örtlichen Campingplatz steht zum Anfassen ein Triebwerk einer Ju-52, welche im Krieg hier von einem russischen Jagdflieger abgeschossen wurde. Nicht das Geschehnis, sondern das Triebwerk berührt mich ein bißchen. Schließlich haben wir die selbe Herkunft.
Ich visiere wieder mein Hauptziel an. Dabei komme ich an einen wunden Punkt. Einen sehr wunden Punkt. Kein Motor, kein Hoffnung, und keine Ahnung, wie es weiter geht. So war das 2019. Ich fahre direkt an der NAF-Servicestation vorbei. Nein, ich halte sogar an und betrete die Garage der Finsternis. NAF ist so was wie der norwegische ADAC. Dieser jene schleppte mich 2019 just zu diesem Platz, an dem ich dann nur noch den Tod eines AWO-Motors feststellen konnte. Aber sowas von tot. In diesem Moment biegt auch der Chef um die Ecke und kann sich sofort erinnern. Er ist sichtlich erfreut, diesmal eine AWO in Funktion zu sehen. Vor allem zu hören. Ein paar Worte geschnackt und weiter im Plan. Ist auch mal schön, aus Karasjok auf eigener Achse raus zu kommen 😉
Lakselv, Olderfjord – ab hier hab ich die Strecke wieder in guter Erinnerung – Honningsvåg, und schließlich Midnattsol Camping. Weil ich clever bin, hab ich mir bereits online am Nachmittag eine Hütte gebucht. Was man so als Frostbeule eben tut im hohen Norden. Ein Auszug aus Lindenbergs „Gerhard Gösebrecht“ fällt mir passend dazu ein, was ich im Moment meiner Ankunft (fast wollte ich Niederkunft schreiben) empfand:
„… Doch dann, als ich so allmählich näher kam,
so etwas komisches, ganz seltsam.“
Sie hatten Steine vor der Einfahrt,
und fette Balken vor den Türen …
Ich war fest davon überzeugt, abgebügelt worden zu sein. Nach dem sich mein Schock gelegt hatte, sofort 200m weiter zum nächsten Campingplatz. Hütte? Jo, eine ist noch. Meine! Dann erst mal hinsetzen und Seite studieren, wo ich denn überhaupt gebucht habe. Übers Impressum war schnell klar, der Name stimmt, nur der Platz ist ein völlig anderer. 400km weit weg in weiß nicht wo. Ich weiß, was einige sich jetzt denken. Was kümmert der sich 12km vor Touchdown um diese blöde Hütte? Merke: ein hungriger Steppe mag auch keine Kugel, und sei sie noch so groß und die nördlichste von allen. Als nächstes gabs – kennt ihr alle schon – Nudeln. Und erst dann, wenn die letzte Nudel aufgezutscht ist und der letzte Klacks Ketchup aus dem Topf gekratzt ist, dann gehts zum Einlauf, Auslauf. Na vielleicht Endlauf. Ne, Endspurt klingt gut. Nuff of de Spitze. an der Kasse den Obulus entrichtet, ja ja, ich kenne die Regeln, Parkplatz links, keinen Meter weiter. Ich rauf auf den Parkplatz, hinten wieder runter und direkter Weg zur Kugel. Da rennt einer! Genau auf mich zu! Wirft sich mir in den Weg und fuchtelt mit der Hand. One Picture? Nix Picture! Und fuchtelt sein Handy hervor um ein Foto zu machen. Doof nur, daß den die AWO nur von hinten interessiert hat. Also Gas und wieder zurück zum Parkplatz. Fixer Gedanke von mir, misch dich in eine Gruppe anderer Motorrsdfahrer und ruhig verhalten. Der Typ rannte doch tatsächlich hinter und versuchte mich ausfindig zu machen. Scheint ihm in der Menge nicht ganz geglückt zu sein. Was ein Sch…! Wieder am Nordkap und wieder das Bike nur aufm Parkplatz. Ich bin dann mit der Gruppe, unter die ich mich gemischt habe, zur Spitze gelaufen. Noch auf dem Parkplatz sind wir ins Gespräch gekommen. Es waren Spanier, oder ich sollte besser Katalanier sagen. Ich sollte später im Gespräch noch mitbekommen, daß der Unterschied wichtig ist. Einer von ihnen, Santiago Reñe Martinez, konnte nämlich sehr gut deutsch. Hatte bis zu seinem 14. Lebensjahr in Deutschland gewohnt, und inzwischen hat es ihn nach Casablanca in Marokko verschlagen. Wir haben uns bestimmt zwei Stunden unterhalten und über Gott und die Welt geredet. Santiago hat sich mit 65 eine große BMW gekauft, um endlich sein Traum vom Nordkap erfüllen zu können. Respekt! Wir verabredeten uns für 1 Uhr an der Kugel, denn auch Santiago meinte, er fahre nicht 6000km, um dann nicht direkt vor dem Wahrzeichen stehen zu können. Er gab mir noch eine katalanische Wurst mit und wir verabschiedeten uns. Es war mittlerweile halb 11, als ich wieder in einer Hütte war, und, ihr ahnt es, natürlich hatte ich 1 Uhr verpennt.

Total distance: 438.15 km

2 thoughts on “Tag 11 (4/6): Subtilität einer Eisenkugel

  1. Torsten und Ulrike says:

    Alles gute und keine schwarzen Fingernägel auf Deiner weiteren Reise.

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