Tag 10 (3/6): Road to hell/Inarisee

War ne miese Nacht. Die Matraze aus Federkern zu weich und durchgelegen. Viel schlimmer empfand ich hingegen, was mir gestern Abend beim Schreiben meines Reiseblogs vor den Füßen rum lief. Schwarz, etwa 1,5cm lang und lange Fühler. War schneller tot als es wegrennen konnte. Hat mir aber anständig die Laune vermiest. Vielleicht auch deswegen der schlecht Schlaf. Hab dann alles, was noch auf den Boden von mir lag, nach oben befördert. Also es lag fast alles unten. In so einer Hütte allein lass ich ja gern alles stehen und fallen und fang nicht groß mit Ordnung an. Mama hat aber damals ihr bestes gegeben und mein Kinderzimmer war immer aufgeräumt. Ziemlich.
Nach dem Frühstück kurz rüber zum Kumi-Service. „Ah, the old motorcycle tire“   kommentierte der freundliche Herr hinterm Tresen und begann zu telefonieren. Als er fertig war, konnte ich folgendes aus seinem Gesicht ablesen ohne das er etwas sagte: der Reifen kommt heute nicht. Das ist zum Glück kein Motorschaden, aber auch alles andere als prickelnd. Ok, ich denke drüber nach, was daraus folgt. Ich widme mich zunächst meinem zweiten Problem, dem des unaufhörlichen Ölflusses aus Zylinderkopf und -fuß. Mir wird dankenswerterweise ein Platz in der Halle zugewiesen, da es doch immer mal wieder regnet. Überhaupt sollte es heute wieder anständig von oben kommen. Ich mach mich also daran, einmsl komplett obenrum neu abzudichten. Dichtungsatz und Ringe hab ich ja die letzten Jahre nun immer mit. Haha, andere schleppen schwere Zündmagneten als Ersatz mit, ich nur einen leichten Dichtungssatz. Die schweren Teile hole ich gesondert per Flug oder lasse sie mir per Eilpost schicken.
Nach ‚habe fertig‘ komme ich mit folgendem Vorschlag zum freundlichen Herren zurück am Tresen. Wie wäre es, wenn sie den Reifen nach Norwegen rüber schicken? Ich schaffe mit dem Profil noch die Lofoten. Bodø oder Tromsø wären eine gute Adresse. Wir verbleiben so, daß ich, wenn der Reifen nächste Woche eintrudelt, ich angerufen werde und wir machen dann per Telefon was aus. Vielleicht lasse ich ihn auch für meine nächste Tour durch Kolari vor Ort lagern, oder für den nächsten AWO-Fahrer, der gen Norden will. Bernde?
Dann gehts noch mal rüber zum Burger-Imbiss, ne Pizza mampfen. Ok, das ist jetzt echt obskur. Wer würde schon zu nem Imbiss gehen, in dessen Hütten kleine schwarze Tiere mit langen Fühler rumrennen? Ich? Ja, ich red mir das irgendwie zurecht, daß da wenigstens im Imbiss mehr Zucht herrscht. Keine Tierzucht! Calzone stand auf der Tafel, aber aufm Teller lag wohl die finnische Version davon. Ich kann es nicht genau definieren, aber beim Italiener hab ich es in der Form so noch nicht gegessen. Im Hintergrund spielt im Radio Chris Rea mit „Road to hell“. Ich sag jetzt mal nichts dazu.
Und nun auf nach Inari. Einmummeln in die Regenklamotten und Abfahrt.
In Sirkka – bei Levi, falls das Wintersportbegeisterte kennen – rechts abgebogen und immer gerade aus Richtung Inari. So ca. 150km durch Niemandsland. Ne, Lappland. Dann fall ich bald vom Sattel. 2019? Das ist 3 Jahre her, und diese gottverdammte Straße wurde kein Meter weiter gebaut. Nur Schotterpiste. Das kann heiter werden bis Inari. Damals hatte ich 30°C im Schatten und habe nach wenigen Kilometern abgebrochen. Heute bei Regen ist die Piste auch noch rutschig. Aber da muß ich durch, wer umkehrt, bekommt Motorschaden. So kämpfe ich mich also Kilometer für Kilometer durch die Tundra. Doch es gibt positives zu berichten. Vom angesagten Regen ist nicht viel übrig, es kommt immer mehr die Sonne raus. Ich fange langsam an zu schwitzen in all den Klamotten, halte ich doch immer mal an wegen Fotos machen. Absteigen, aufsteigen, absteigen, aufsteigen. Zum Beispiel knipse ich ein Baufahrzeug, was ja auf den ersten Blick den Eindruck erweckt, daß hier was zu passieren scheint. Doch der zweite Blick offeriert, ein Scheiß passiert hier. Das Ding hat mehrere Platten und muß hier schon länger als 3 Jahre stehen. Vielleicht haperte es an der Lohnzahlung und die Bauarbeiter sind weiter gezogen. Es erklärt zumindest den unveränderten Zustand der Straße. Na sagen wir Piste. Von den Kilometern her müßte ich mit meiner Tankfüllung bis Inari kommen. Bei einen meiner Fotostops rieche ich Benzin. Tankstelle im Wald? Nicht doch, mein Benzinschlauch ist durchgeschuffelt und tropft fröhlich vor sich hin. Nicht lustig sowas bei der Tankstellendichte. Das könnte mein Ziel in Gefahr bringen und ich studiere mein Navi nach Tankstellen. Glaubstes, in 50km soll eine Tankstelle im Wald kommen. Junge Junge, alles, aber das? Der Schlauch wird erneuert und ich werfe einen Blick in den Tank. Meine Rechnung ist, aufgrund der Piste fahre ich nur halbe Geschwindigkeit und verbrauche eh nicht so viel Sprit. Bisher lag ich bei guten 5 Liter auf 100km. Also weiter im Text, und wenn ich Glück habe, dann kommt da wirklich eine Tanke im Wald. Glück! Ja logisch gibts auch Kaffee und Kuchen. Pokka heißt der Punkt, laut Karte könnte man hier auch übernachten. Nach einem kurzen Plausch mit dem Tank- und Cafèwirt steuer ich weiter mein Ziel an. Und jetzt sogar wieder auf asphaltierter Straße. Hab heute mehr Glück als damals. Aber ich will den Tag nicht vor den Abend loben. Dank sonnigem Wetter und nun doch guter Straße kann ich wieder mit der Natur eins werden. Einfach nur ein Traum. Endlos bis in die Ferne sanfte Berge, hier und da mit letzten Wattebällchen von Schnee versehen. Die Tundra hat etwas magisches an sich und hin und wieder stehen Rentiere am Wegesrand und treten erst wenige Meter, bevor ich heran geknättert bin, die Flucht ins Dickicht an. Ich komme am Menesjärvi vorbei, wo links ab ein kleiner Weg ca. 50m bis zum Ufer führt. Inarissee, dir hat jemand die Show gestohlen. Es braucht nur einen kurzen Moment, und ich beschließe hier zu bleiben. Das Zelt und Mopete 3 Meter vom Ufer weg, schöne Aussicht, was willste mehr.
Während ich diese Zeilen schreibe, beschließe ich, mir heute wieder mehr Genuss zu gönnen. Ich genehmige mir eine Rocky Patel 10 Years und einen Glenmorangie Sauters Casc Finish. Der Whisky ist von dem 4er-Set bisher der beste, nur die Rockys sind Schrott. Zuviel Luft, geht zu oft aus. Und trotz anderslautender Wettervorhersage bekomme ich noch ein kleines Gewitter übern See geliefert. Gute Nacht!

Total distance: 227.86 km

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