Tag 17 (10/6): Déjà-vu

Unglaublich, einfach unglaublich. Wieder hab ich Kvalvika-Bay vor den Augen, und wieder quälen mich Halsschmerzen. Es gleicht sich so mit den Geschehnissen 2019, daß es doppelt weh tut. Das ist Frust pur. Der eisige Wind gestern fordert nun doch sein Tribut. Diesmal quäle ich mich aber nicht über den Berg zur Bucht, sondern beschließe, mir dieses aufzuheben, wenn dieser Sch… Hals mal nicht krank macht. Ich bin ziemlich konsterniert angesichts meines sich sehr zum schlechten geänderten Zustandes.
Etwas planlos fahre ich nach Moskenes zum Fährhafen und schaue, ob ich spontan mit der nächsten Fähre mitkomme. Doch je näher ich Moskenes komme, um so mehr drängt es mich hier zu bleiben. Nicht schon wieder Flucht, nur weils mir mal wieder bescheiden geht. Am Hafen angekommen legt die Fähre gerade ab, und es stehen einige Biker davor, die nicht mitgekommen sind. Somit hat sich auch mein Vorhaben erübrigt und es wird einen weiteren Tag auf den Lofoten geben. Vorsorglich buche ich aber online für den nächsten Tag eine Fahrt, um mir dann Überraschungen zu ersparen. Mir ist der Andrang an Touris schon jetzt zu groß.
Bernde hat mir zwischenzeitlich mit Nachdruck durch eine kleine Transaktion die Brygge in Å empfohlen. Da der Tag vom Wetter her heute einer der besseren ist, beschließe ich, den Süden der Lofoten im Downtempo durchzumeandern. Å, Reine oder auch Nusfjord sind dafür beste Anlaufpunkte. Leider schließt die bekannte Bäckerei in Nusfjord 20 Minuten vor offiziellem Ladenschluß, und ich steh zum zweiten Male vor verschlossener Tür. Ja, gestern auch schon, aber da war es auch schon nach 18 Uhr. Macht nichts, in der staatlich-norwegischen Museumsbäckerei schräg gegenüber wird auch gut gebacken. Überraschenderweise wird mir im sächsischen Dialekt Ware feil geboten. Alle Angestellten sind Deutsche im Auftrag des norwegischen Staates. Mir solls Recht sein, denn der Kuchen schmeckt vorzüglich. Und tut der Hals noch so weh, Kuchen geht immer. Nachdem ich fototechnisch auch den südlichen Landstrich der Lofoten zerknippst habe, mache ich mich wieder auf die Suche nach einem Zimmer oder Hütte. Und nun wird ja der Hund in der Pfanne verrückt. Ausgerechnet heute im angeschlagenem Zustand bekomme ich in Fredvang ein Zimmer. Kvalvika-Bay ist quasi um die Ecke rum. Ich ringe mit mir, lasse es dann aber doch dabei bewenden. Die Bucht kommt dran, wenn ich mal wieder gesund hier oben auftauche. Brauch ja noch ein Ziel fürs nächste Mal. Immer dringender und kaum noch aufschieben lässt sich ein anstehender Wechsel meiner kompletten Bereifung. Das Hinterrad wandelt sich immer schneller vom Klassikprofil zum garnicht so Klasse Slickprofil mit bereits kleinen Rissen in der Decke. Sehr ungut! Der Vorderreifen hat noch Profil, eiert aber merklich ungelenk durch die Kurven. Es ist Freitag Nachmittag, noch etwas Zeit zu schauen, obs nicht auf den Lofoten doch wundersamerweise eine 18-Zoll-Bereifung gibt. Völlig egal was, Hauptsache es hat Profil und passt zwischen die Schwinge. Doch wo gucken? Hab doch gestern die Amischlitten gesehen und pelze dort noch mal hin. Die machen sogar mit Gummis, aber nichts in meiner Größe. Aber Norweger sind hilfsbereit und wimmeln nicht gleich ab. Ein kurzer Anruf, und, ja, einmal Hang abwärts, erstes Haus mal melden. Flux runter gerollt, und da steht der Meister auch schon mit einer Pelle in der Hand. Sieht mein Motorrad an, und verzieht das Gedicht. Ich auch. 4 Reifen hat er da, aber nix passendes. Aber wie eine Station vorher schon, man ist hilfsbereit und schmeißt die Körner nicht gleich vor die Flinte. Und der Meister zieht aber mal richtig Kreise. Anstatt mir eine Telefonnummer zu geben, wo ich mal fragen könnte, macht er das gleich selber. Denn er hat selbst sofort gemerkt, norwegisch hab ich geschwänzt, und englisch immer beim Falschen abgeguckt. Er fängt also mal ganz lokal an mit den Kontakten von Freunden und Bekannten. Ist anschließend in Bodø af dem Festland, bei Händlern und MC’s, und landet schließlich in Trondheim. Das ist weit, ca. 700km, aber ein ziemlich sicherer Hafen für neue Reifen. Wow, ich danke ihm für die ganzen Telefonate. Aber das war noch nicht alles. Er bemerkt, daß ich die falsche Fährkarte gekauft habe für den nächsten Tag. Ich würde Inselhopping über 6 Stunden machen. Er ruft wieder an. Ich soll 11 Uhr am Hafen stehen und die Direktverbindung nach Bodø nehmen. War der Käpt’n am anderen Ende. Ich solle mich in die erste Reihe stellen, und wenn einer fragt, den Namen vom Käpt’n nennen. Mir bleibt ein bißchen die Kinnlade hängen und ich verabschiede mich mit einer kleinen Dankesorgie Richtung Fredvang. Ich nutze die Abendsonne und windstille Abgeschiedenheit meiner Herberge und gönne mir noch etwas Wärme auf mein Antlitz.

Total distance: 191.79 km

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