Tag 8 (20/8): Bialowieza, nicht die zweite

Die Nacht war unangenehm, dem Vorabend geschuldet. Neben Wodka ukrainischer Herkunft, gab es noch Havanna-Rum und irgendwas Selbstgemachtes. Es war von allem nicht viel, aber eben durcheinander. Den dadurch verursachten Schlafmangel bekam ich im Laufe des Tages ziemlich zu spüren. Obwohl mich keine verstopften Straßen um den Verstand brachten, waren die ca. letzten 50km fast nur noch gerade aus. Ich stierte nur noch auf das Auto vor mir und hoffte, daß der sich halbwegs an die Geschwindigkeit hielt. Wenigstens waren, je näher ich dem Naturreservat kam, die Straßen in einem wesentlich besseren Zustand als auf den ersten 2/3 meiner heutigen Reise. Als Highlight gab es heute eine Flußüberquerung mit einer handgetriebenen Fähre mit Platz für 2 Autos. In meinem Fall kamen zusätzlich noch 2 Motorräder ans andere Ufer. Der andere Biker war überhaupt der erste auf meiner Reise, der die AWO sofort erkannte und den Daumen hob mit den Worten „Aah, Awo Simson“. Dafür, das dieses Motorrad in den halben Ostblock exportiert wurde, ist es für mich schon ein wenig verwunderlich, daß scheinbar ausgerechnet die Alten überhaupt nichts anzufangen wußten damit.
Ich treffe nach 3 Jahren zum zweiten mal in Białowieża ein. Ich bin zu müde für Zelt und die Zimmerpreise sind im Gegensatz zu Norwegen nicht so exorbitant, daß man sich das nicht leisten könnte. Über booking.com suche ich mir was schönes aus, und es muß nicht Białowieża sein.
So prickelnd ist der Ort nun auch wieder nicht, und durch die Grenze zu Weißrussland (oder ist es schon Russland?) kommt man auch nicht weiter gen Osten. Das ich nun noch mal 10km zurück muß, stört mich nicht, bin ich doch nun mitten im Reservat untergebracht. Und mit etwas Glück sehe ich morgen – jupp, schon wieder Wandertag – ein paar Wisente in freier Natur. Da mein Bett erst noch gemacht werden muß, soll ich 30 Minuten später wiederkommen. Zeit, die ich für eine kleine Runde durchs Dorf nutze. In einer abgelegenen Hütte – der Hof macht einen musealen Eindruck – blicke ich durchs Fenster und traue meinen Augen nicht. Piko bello eingerichtet, aber über 100 Jahre in der Zeit zurück versetzt. Diese kleinen Entdeckungen gefallen mir.
Auf dem Rückweg sehe ich wiederum zum ersten mal auf dieser Reise ein deutsches Kennzeichen. L, wie Leipzig. Globsch doch nisch! Ein kurzer Plausch mit den jungen Leuten und danach darf ich mein Zimmer inspizieren. Ich stelle fest, hier in Budy, ein ziemlich gottverlassenes Nest, aber eben mit ein paar zentral liegenden Urlauberhäuschen, habe ich ein ziemlich gemütliches Fleckchen gefunden, in dem sich ausspannen lässt. Es wird sogar Frühstück geben. Und Robert, wohl der polnische Koch, hat mir erklärt, wo und wann es das gibt. Klingt irgendwie alles nach Jugendherberge. Ich lass mich überraschen.
Und sonst? Am Tag 8 sollst du keine Nudeln essen, deswegen gab es heute Gulaschsuppe aus der Büchse. Und ich nutze Technik, die es auf Reisen nicht brauch, aber wenn es sich nun mal ergibt … In der gemeinsamen Stube des Hauses, wo ich untergebracht bin, steht eine Hifi-Anlage und die Regale sind voll mit Büchern und CD’s. Ich schiebe mir den Sessel zurecht, den Flachmann mit guten Rum gefüllt neben mich, und dann gibts Mussorgski auf die Ohren. Assi mit Niveau!

Total distance: 244.64 km

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